Kein Ausweg aus Krise in Nicaragua in Sicht

Neue Tote und wenig Hoffnung

Der von der Kirche vermittelte nationale Dialog in Nicaragua ist vorerst gescheitert. Die Regierung spricht von einem geplanten Staatsstreich, die Zivilgesellschaft will ihre Proteste fortsetzen. Wie es jetzt weitergeht, weiß erst einmal niemand in Nicaragua.

Autor/in:
Tobias Käufer
Nicaragua: Ein Mann hebt bei einem Protest gegen die Regierung eine Waffe hoch. / © Carlos Herrera (dpa)
Nicaragua: Ein Mann hebt bei einem Protest gegen die Regierung eine Waffe hoch. / © Carlos Herrera ( dpa )

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag macht wenig Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Krise. Laut der Tageszeitung "La Prensa" kamen bei Protesten in Leon und Chinandega erneut zwei Menschen ums Leben, rund 100 sollen verletzt worden sein. Medizinstudenten kümmerten sich um die Opfer. Die Hintergründe der neuen Todesfälle sind noch ungeklärt, die Opposition macht regierungsnahe paramilitärische Banden für die Übergriffe verantwortlich.

Der mit großer Hoffnung begleitete nationale Dialog, vermittelt von der katholischen Kirche in Nicaragua, ist zunächst gescheitert. Die Nicaraguanische Bischofskonferenz entschied nach vier Verhandlungstagen zwischen der sandinistischen Regierung und Vertretern der Zivilgesellschaft, sich aus der Vermittlerrolle zurückzuziehen. In einer Erklärung bedauerten die Bischöfe in dieser Woche, dass es nicht möglich gewesen sei, einen Konsens zwischen beiden Seiten zu erreichen.

"Ein Recht auf pazifistischen Widerstand"

Zuvor hatten die Bischöfe einen Vorschlag erarbeitet, der unter anderem eine Debatte über vorgezogene Neuwahlen und eine Reform des Wahlrechts vorsah. Die Regierung lehnte dies ab: Die vorgelegte Agenda sei ein getarnter Versuch, die verfassungsrechtliche Stellung der Regierung auszuhebeln, erklärte Außenminister Denis Moncada. Und er legte nach: Die Kirche versuche, die Regierung zu stürzen. Der Vertreter der Zivilgesellschaft, Carlos Tunnermann, kritisierte hingegen, dass die Regierung nicht willens sei, die Demokratie im Land wiederherzustellen. Nun soll eine gemischte Kommission mit je drei Vertretern beider Seiten die Gespräche weiterführen.

Managuas Weihbischof Silvio Baez, der zu einem der wichtigsten Gesichter der Protestbewegung geworden ist, äußerte Unverständnis: "Ein verfassungsrechtlicher Weg, um die Demokratie in Nicaragua wiederherzustellen, ist kein Staatsstreich. Das Volk hat ein Recht auf pazifistischen Widerstand", twitterte Baez am Donnerstagabend.

"Mütter des April"

Die katholischen Schulen und kirchlichen Vertreter Nicaraguas kündigten unterdessen einen neuen Protestmarsch an. Auch die "Mütter des April", ein Zusammenschluss von Müttern getöteter Demonstranten, riefen zu Protesten auf – für den 30. Mai. Das ist der nicaraguanische Muttertag. Die Mütter sagen: Wir haben nichts mehr zu feiern.

Zuvor war bekanntgeworden, dass führende Köpfe der katholischen Kirche inmitten der innenpolitischen Krise Morddrohungen erhielten. Das bestätigte Kardinal Leopoldo Jose Brenes Solorzano der Tageszeitung "La Prensa". Ziel der Drohungen seien Bischöfe und Priester gewesen. Er selbst habe ebenfalls Drohungen auf seinem Mobiltelefon erhalten, diese aber umgehend gelöscht, so Brenes. Trotz der Einschüchterungsversuche werde die Kirche aber ihre Vermittlungstätigkeit zur Lösung der innenpolitischen Krise fortsetzen.

Demonstrationen brutal niedergeschlagen

Seit gut vier Wochen gibt es in Nicaragua Massenproteste gegen die sandinistische Regierung von Präsident Daniel Ortega. Die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) warf den Sicherheitskräften vor, die Demonstrationen brutal niedergeschlagen zu haben. Seit Ausbruch der Proteste kamen mindestens 78 Menschen ums Leben, rund 800 Personen wurden verletzt, die Pressefreiheit erheblich eingeschränkt, heißt es in dem Bericht.

Die Gegner Ortegas fordern dessen sofortigen Rücktritt. Der macht indes die Protestbewegung dafür verantwortlich, dass die Demonstrationen gewaltsam endeten und lehnt einen Rücktritt ab.


Quelle:
KNA