KED-Vertreterin ist skeptisch gegenüber Social-Media-Verbot für Kinder

"Kinder und Jugendliche aktiv begleiten"

Wenn es nach Bildungsministerin Karin Prien geht, sollen Instagram, Tiktok und Co. erst ab 16 erlaubt werden – ähnlich wie in Australien. Stefani Otte von der Katholischen Elternschaft (KED) fordert stattdessen ein breiteres Konzept.

Autor/in:
Elena Hong
Soziale Medien: Tiktok und Instagram / © Koshiro K (shutterstock)
Soziale Medien: Tiktok und Instagram / © Koshiro K ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie den Vorstoß der Bildungsministerin? Ist eine Altersgrenze für die sozialen Medien sinnvoll? 

Stefani Otte (privat)

Stefani Otte (zweite Vorsitzende der KED Köln sowie Mitglied im Landesvorstand NRW): Also ich verstehe den Vorstoß, tue mich aber immer schwer mit generellen Verboten. Für mich gehört Social Media mittlerweile zur Lebensrealität. Gleichzeitig müssen wir unsere Kinder vor den Risiken in den sozialen Medien schützen.

Aber das bedeutet eben nicht, einfach nur Verbote auszusprechen, sondern die Kinder und Jugendlichen auch aktiv zu begleiten, sie zu bilden und eben auch durch kluge Maßnahmen zu stärken. 

DOMRADIO.DE: Zur Lebensrealität gehört aber auch, dass Kinder sich weniger bewegen, dass die Aufmerksamkeitsspanne nachlässt und dass sie anfälliger für psychische Probleme sind. Warum sollte man Kinder dem überhaupt aussetzen, wenn es auch anders geht? 

Die meisten Eltern wissen nicht, was Kinder und Jugendliche daheim am Handy machen. Dafür ist wichtig, dass auch Eltern in Medienkompetenz geschult werden. / © aerophoto (shutterstock)
Die meisten Eltern wissen nicht, was Kinder und Jugendliche daheim am Handy machen. Dafür ist wichtig, dass auch Eltern in Medienkompetenz geschult werden. / © aerophoto ( shutterstock )

Otte: Da stimme ich Ihnen voll zu. Das ist bedenklich und da müssen wir unbedingt etwas tun, aber ich glaube, generelle Verbote werden halt umgangen…

DOMRADIO.DE: Das heißt ja nicht, dass sie schlecht sind, wenn sie umgangen werden. Die greifen ja trotzdem auch in irgendeiner Art und Weise. 

Otte:  Das stimmt. Aber sobald Jugendliche 16 sind, sind sie dennoch mit dieser Realität konfrontiert. Und vorher tun wir zu wenig, etwa in der Medienbildung. Wir müssen natürlich darauf achten, dass natürlich unsere Kinder nicht 24 Stunden am Handy und am Tablet hängen und müssen Angebote schaffen, dass es eben noch eine andere Lebensrealität gibt. 

Da sehe ich uns gesamtgesellschaftlich ganz groß in der Verantwortung. Die Sportvereine, die Kirche, wir als Eltern. Wenn ich in Restaurants sehe, dass ein 3-jähriges Kind mit dem Handy der Mutter oder des Vaters spielt, finde ich das bedenklich. 

Wir müssen aus dieser Bequemlichkeit heraus, dass ein mobiles Gerät schnell für Ablenkungen sorgt. Ich bin nicht generell gegen diese Verbote, aber wir müssen erklären können, warum wir Kinder und Jugendliche so schützen wollen. Wie beim Alkohol eben auch.

TikTok auf einem Smartphone / © Camilo Concha (shutterstock)
TikTok auf einem Smartphone / © Camilo Concha ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Genau, aber ein Alkoholverbot gibt es ja für unter 18-Jährige. 

Otte: Studien zeigen, dass trotz Alkoholverbot für Jugendliche in vielen Supermärkten tatsächlich Alkohol ausgegeben wird. Da lässt sich das Personal zwar den Ausweis zeigen, und da steht ganz klar drauf, dass das Kind erst 15 ist. Aber man verkauft das Bier trotzdem. 

DOMRADIO.DE: Sie sind gegen Altersbeschränkungen bei Alkohol und Zigaretten für Kinder? 

Otte: Nein, absolut nicht. Aber es gehört zu einem Verbot, dass es auch durchgesetzt werden muss. Und Australien war zum Beispiel das erste Land, das ein Social-Media-Verbot bis 16 ausgesprochen hat. Aber selbst dort stellt die Onlinebehörde eSafety fest, dass eben diese Altersverifikationsmethoden im Internet oder auf den Plattformen nicht wirklich funktionieren. 

Ich glaube, da müssen wir ansetzen. Wir müssen Social-Media-Plattformen sicherer machen. Wir als Gesamtgesellschaft sind gefragt, im Netz Hassrede, Gewalt und sexuelle Belästigung zu beenden. Ich finde es wichtig, dass man über diese Verbote spricht. Aber sie müssen auch durchgesetzt werden können. 

Stefani Otte

"Wir als Gesamtgesellschaft sind gefragt, im Netz Hassrede, Gewalt und sexuelle Belästigung zu beenden."

DOMRADIO.DE: Das heißt, sie würden sich eher auf die Seite von CSU-Chef Markus Söder stellen, der das Vorhaben für "totalen Quatsch" und Realitätsfremd hält? 

Otte: Definitiv nicht, sondern ich würde mich eher in der moderaten Mitte sehen. Ja, es braucht beides. Es braucht einerseits ein Verbot, welches Kinder und Jugendliche schützt. Auf der anderen Seite ist es ab einem gewissen Alter notwendig -und da sind die Experten und Pädagogen gefragt- dass Kinder lernen, mit diesen Social-Media-Plattformen umzugehen. 

Und das sind wir alle gefragt, sowohl Eltern als auch Schule, aber auch gesamtgesellschaftlich, denn wir sind Vorbilder. 

DOMRADIO.DE: Den Handykonsum der Kinder einzuschränken, ist für viele Eltern schwierig. Man will sein Kind auf keinen Fall zu Aussenseitern machen. Mit einem Gesetz, würde es diese Diskussion in Familien gar nicht mehr geben. 

Otte: Die Frage ist, ob man ein Verbot für alle unter 16 aussprechen kann, ein Smartphone zu besitzen...

DOMRADIO.DE: In Italien sind Handys zumindest an Schulen verbannt. Das wird dann schon kontrolliert. Da kann man schon sagen, wer ein Handy in der Schule zückt, der muss es eben abgeben. 

Otte: Ja, und das finde ich auch absolut richtig. Also das passiert ja auch schon jetzt in NRW, dass die Schulen aufgerufen sind, hier Konzepte zu entwickeln, smartphonefrei zu werde. Private Endgeräte haben auch für mich in der Schule nichts zu suchen.

Symbolbild Leeres Klassenzimmer in einer Schule / © hxdbzxy (shutterstock)
Symbolbild Leeres Klassenzimmer in einer Schule / © hxdbzxy ( shutterstock )

Die Erfahrungen zeigen: Es wird konzentrierter gearbeitet. Es findet wieder mehr Kommunikation auf dem Schulhof in den Pausen statt, aber nichtsdestotrotz brauchen wir die Bildung für unsere Kinder, was Social Media angeht, wie man sich persönlich schützen kann. 

Ich finde auch, ein Grundschulkind braucht kein Smartphone. Aber danach sollte ein schrittweises Heranführen geschehen. Kinder müssen vorbereitet werden.

DOMRADIO.DE: Ganz kurz zum Schluss noch, Frau Otte, was würden Sie überforderten Eltern raten? Haben Sie da einen Tipp vielleicht? 

Otte: Die KID bietet seit Jahren schon in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk Bonn online Formate an, in denen sich Eltern fortbilden können. Und nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer und Lehrerinnen. 

Je mehr wir über diese Welt wissen, die unsere Kinder so beschäftigt, desto eher können wir sie auch davor schützen. Es hilft nur, wenn wir alle zusammenarbeiten. Eltern sollten zusammenspannen und sich nicht gegenseitig für den Umgang mit der Thematik kritisieren.

Das Interview führte Elena Hong.

Social Media/Soziale Medien

Der Begriff Social Media beschreibt Webseiten und Apps, über die Nutzer Inhalte kreieren sowie teilen und sich vernetzen können. Zentrales Merkmal von Social Media ist die Interaktivität. Soziale Interaktion zwischen Nutzern sowie kollaboratives Schreiben prägen den Online-Dialog, die sogenannte Many-to-many-Kommunikation. Nutzer erstellen Inhalte (User Generated Content), über die ein permanenter, zeitlich unbegrenzter Austausch mit anderen stattfindet.

Symbolbild: Jugendlicher mit Handy / © Angelika Warmuth (dpa)
Symbolbild: Jugendlicher mit Handy / © Angelika Warmuth ( dpa )
Quelle:
DR

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