Katholisches Elite-Internat Sankt Blasien besteht seit 75 Jahren

Tradition und Innovation

Es ist ein ungewöhnlicher Ort hinter jahrhundertealten Klostermauern. Eine Schule, wo eine Griechischklasse nur aus drei Schülern besteht, wo 15-Jährige im Chinesisch-Unterricht von einer Managerzukunft träumen und ein Schulleiter sagt, dass sich Schule nicht so ernst nehmen dürfe. Das Kolleg Sankt Blasien, gelegen in einem versteckten Tal im Südschwarzwald, ist ein Flaggschiff katholischer Schulen in Deutschland.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Adel und Eliten schicken ihre Zöglinge hierher, auf der Suche nach umfassender Bildung, gespeist aus christlichen Werten. Zugleich ist die Schule für eine entlegene Region im Südschwarzwald zum Bildungszentrum geworden.

An Pfingsten feiert das Kolleg sein 75-jähriges Bestehen - und schöpft gleichzeitig aus einer fast fünfhundertjährigen Bildungstradition des Jesuiten-Ordens, der das Privatinternat bis heute prägt. Rund 900 Schüler besuchen die Schule, 340 von ihnen leben im nach strengen Regeln geführten Internat.

Theresa von Bennigsen ist Sprecherin des Mädchen-Internats und seit drei Jahren in Sankt Blasien. "Ich habe mich bewusst für meine Schule entschieden, weil ich klare Strukturen und ein breites Bildungsangebot gesucht habe", erzählt die Zwölftklässlerin. Die im Internatsschulalltag entstehende Gemeinschaft erlebt sie als einzigartig. "Da wachsen Freundschaften, die ein ganzes Leben tragen."

Mehr Anmeldeanträge als zu vergebende Plätze
Schon seit längerem hat die Schule mehr Anmeldeanträge als zu vergebende Plätze. Sowohl für das Internat als auch für die regulären Plätze. "Uns ist es wichtig, diese beiden Standbeine zu haben", sagt Kollegsdirektor Johannes Siebner. Einerseits kokettiert er mit dem Status der Eliteschule - "Wir sind stolz auf unseren guten Ruf!" - andererseits wird er rasch ernst, wenn er von der Ausstrahlung der Jesuitenschule in die ländliche Region rund um das Schwarzwaldnest Sankt Blasien erzählt. "Wir tun alles, um jeden unserer Schüler mitzunehmen und ihn in der für ihn richtigen Weise zu fördern und zu unterstützen."

Ein zentrales Credo des agilen Jesuiten ist es dabei, seine Schüler vor einer gesellschaftlichen Instrumentalisierung zu schützen. Die Erwartungen, mit denen Politik, Wirtschaft, und selbst die Kirchen an Schule herantreten, seien in den vergangenen Jahren ins Unermessliche gestiegen und zu einer enormen Belastung für Eltern, Schüler und den Schulbetrieb selbst geworden, sagt der Kollegsdirektor. Schulen sollten Familienersatz, Freizeitgestalter, Wertevermittler oder Kaderschmiede wirtschaftlicher Eliten sein.

"Wir müssen diesen Ballast beiseite lassen, Schule nicht so wichtig nehmen und endlich Bildung allein für die Kinder und Jugendlichen machen, und uns dies auch etwas kosten lassen. Nicht, weil wir Kinder als künftige Stützen der Gesellschaft brauchen, sondern weil sie jetzt bedingungslos liebenswert sind." Gott in allen Dingen sehen, so nannte der Gründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola diese Haltung. Menschen sein für andere, ist ein weiterer Leitgedanke des jesuitischen Bildungsideals. Heute unterhalten die Jesuiten außer der Schule in Sankt Blasien noch zwei weitere Gymnasien in Deutschland: das Aloisiuskolleg im Bonner Stadtteil Bad Godesberg sowie das Canisius-Kolleg in Berlin.

Leitgedanken einer ganzheitlichen Bildung
Den finanziellen Privilegien einer Privatschule sei Dank, versuchen Siebner und sein Team den Leitgedanken einer ganzheitlichen Bildung ausbuchstabieren. So können die Schüler zwischen fünf verschiedenen Sprachen wählen. Mehrere Orchester, Instrumentalklassen, Chöre sowie eine Schul- und Bigband gehören ebenfalls zum Angebot. Ein neu eingerichtetes Zentrum für individuelle Begabungsförderung, nicht weit von der bestens ausgestatteten Schulbibliothek, soll bei persönlichen oder schulischen Problemen helfen. Wichtig ist der Schule der Religionsunterricht und das Einüben religiöser Alltagspraxis. Ein Schulseelsorger bietet Einzelgespräche und Exerzitien an.

Die Wurzeln des Kollegs reichen ins 19. Jahrhundert, als Jesuiten im österreichischen Feldkirch eine erste Jungenschule aufbauten. Den Standort im Südschwarzwald bezog das Internat aber erst 1934, vor genau 75 Jahren, in einem ehemaligen Benediktinerkloster mit seinem gewaltigen Kuppeldom. Doch schon fünf Jahre später schlossen die Nazis den christlich geprägten Bildungsort, ein Lazarett zog ein und blieb bis Kriegsende.

"Eltern wollen für ihre Kinder die bestmögliche Ausbildung"
Heute erlebt Sankt Blasien einen Boom. "Eltern wollen für ihre Kinder die bestmögliche Ausbildung", sagt Monika Windhorst, die als Pädagogin in einer Internatswohngruppe arbeitet. Das Internat beschreibt sie als idealen Ort des sozialen Lernens. Sie weiß zugleich, dass es nicht immer leicht ist, sich dem streng geregelten Internatsalltag zu beugen, etwa den frühen Nachtzeiten um 22.30 Uhr. Doch viele Eltern suchen gerade diese Klarheit und Strenge. Manche Familien ziehen sogar extra in den Schwarzwald, um ihre Kinder hier einzuschulen.

Auch wenn Kollegsdirektor Siebner eine am einzelnen Schüler orientierte Bildung ins Zentrum rückt: Es geht in Sankt Blasien selbstverständlich auch um Leistung und Zukunftschancen. Kritiker sagen, dass Elite hier unter sich bleibe. Der Notendurchschnitt beim Abitur liegt regelmäßig höher als im Rest Baden-Württembergs. Auch deswegen, weil sich oft nur ausgewählte Familien einen der begehrten Internatsplätze leisten können. 1.250 Euro kostet der pro Monat. Für Tagesschüler sind es 120 Euro. Siebner hat deswegen konkrete Pläne für die Zukunft: "Mein Ziel ist es, unser Stipendien-System weiter auszubauen."