DOMRADIO.DE: Ein Wohnhaus mit kleinen günstigen Wohnungen sollte mit samt der Kölner Kultkneipe "LOTTA" verkauft werden. Der attraktive Standort wäre höchstwahrscheinlich an Luxus-Investoren gegangen. Stattdessen hat ihr katholischer Verein kürzlich den Kaufvertrag zwischen der Besitzerin und der Wohnungsgenossenschaft WOGE Köln e.G. mit unterschrieben. Welches Interesse haben Sie als katholischer Sozialverband an einem Haus mit Kneipe?
Katja Schauen (Vorstand "IN VIA", Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit): Unser Hauptsitz ist in der Kölner Südstadt und in Steinwurf-Nähe der "LOTTA" haben wir schon das Teresa-von-Avila-Haus, das ist ein Mädchen- und Frauenwohnheim. Es geht uns um sozialverträgliches Wohnen im Sinne von preiswerten kleinen Wohnungen für die Frauen und Mädchen, die da wohnen.
Deswegen sprach ich meine Kollegin Andrea Redding, auch Geschäftsführerin bei "IN VIA", an, ob wir da mal die Fühler ausstrecken sollen.
DOMRADIO.DE: Sie haben deswegen den Verein "Auftrag Südstadt" gegründet. Dann kam noch eine Wohnungsgenossenschaft ins Spiel und eben Sie. Wir sprechen über ein etwas anarchisch engagiertes Kneipenkollektiv. Sie sind ein katholischer Sozialverband. Das passt doch gar nicht.
Schauen: Ich glaube, das waren auf beiden Seiten wohl genau die ersten Vorbehalte. Das Projekt zeigt aber ganz wunderbar, dass wir uns von so programmatisch-dogmatisch geführten Diskussionen um der Sache willen doch irgendwie zu Kompromissen zusammenfinden können.
Nachdem wir mehrfach miteinander gesprochen haben, stellten wir fest, dass es viel mehr Vereinbarendes als Trennendes gibt. Das ist doch eine Einladung, überhaupt miteinander noch mal neu auf Dinge und auch auf Konstellationen zu schauen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, komische Kombinationen können gut laufen?
Schauen: Absolut. Die Erfahrung machen wir jetzt gerade. Und ich glaube mit Blick auf alles, was um uns herum passiert, werden wir gesellschaftlich ja nicht drum herumkommen, solche Kombinationen immer häufiger einzugehen, weil die alten Koalitionen ja nicht mehr in allen Bereichen tragen.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja schon mit "IN VIA" ein Jugendwohnheim für Mädchen im Kölner Severinsviertel. Können denn die Mädchen da nach der Ausbildung nicht einfach bleiben?
Schauen: Nein, weil das besonders geförderte Plätze sind, häufig eben noch vom Jugendamt, die dann bezuschussen. Das heißt, wir unterstützen die Mädchen während der Zeit, in der sie da wohnen, quasi in der Verselbstständigung und stellen dann immer wieder fest, dass zum Ende dieses Verselbständigungsprozesses die Mädchen vor einer unklaren Wohnungsfrage stehen, weil sich die Zimmer im Wohnheim immer neu mit nachrückenden Mädchen und jungen Frauen füllen.
Eigentlich sollen die dann nach der Ausbildung auch ausziehen. Sie stehen oft vor dem Problem, dass es keinen für sie bezahlbaren Wohnraum in Köln gibt. Deswegen, das ist unser Gedanke, wollen wir in der neuen Immobilie zumindest für sechs dieser jungen Frauen noch mal so ein weiteres "Podestchen vor dem Nest" schaffen. Heißt: Manche können dadurch zentrumsnah und bezahlbar vorübergehend weiter wohnen.
DOMRADIO.DE: Was können Sie in Sachen Fundraising von so einem Kneipenkollektiv lernen?
Schauen: Offensichtlich richtig viel, denn so viel Fundraising, wie der Verein "Auftrag Südstadt" in kurzer Zeit betrieben hat, hat "IN VIA" in den letzten zehn Jahren zusammen gemacht.
Das zeigt, dass es möglich ist, Menschen, die für eine Sache brennen, auch dazu zu bewegen, sich finanziell dran zu beteiligen, wenn es eben möglich ist.
Ich glaube, von dieser Idee der Projektfinanzierung können wir viel lernen, weil wir ja auch als Sozialverband davon abhängig sind, uns immer wieder neu zu erfinden und genau dahin zu gehen, wo es gerade gebraucht wird.
Wir machen die Erfahrung, dass die Ämter in Köln nicht ganz so schnell mitgehen. Das dauert meist länger.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben sie diesen Weg gewählt, in diesen Hauskauf einzusteigen. Das Haus hat 13 kleine und gut finanzierbare Wohnungen, sechs davon übernimmt "IN VIA". Wo steht man denn im Moment mit Hauskauf, Hausbau, Hausausbau, Hausumbau?
Schauen: Wir waren beim Notar und es gibt einen unterschriebenen Kaufvertrag. Dieser Kaufvertrag hat ein Zahlungsziel bis Ende dieses Monats. Bis dahin haben wir noch ein paar inhaltliche Klärungsfragen, die uns einen Rücktritt ermöglichen.
Es geht zum Beispiel um den Sanierungsaufwand, weil etwas unklar war, wie marode die Leitungen nun wirklich sind. Es war uns wichtig, weil wir eben alle nicht vom Fach sind, dass Menschen vom Fach die Gelegenheit haben, sich das anzuschauen. Wir wollten nicht die Katze "im kompletten Sack" kaufen, also nicht nachher ganz böse Überraschungen erleben. Das sieht aber alles super aus.
Wir hatten jetzt ein erstes Treffen mit der "WOGE" und dem Verein "Auftrag Südstadt" und haben uns alles gemeinsam angesehen. Es ist nichts, was uns böse überrascht. Übernächste Woche werden wir final entscheiden, den Kaufpreis zu bezahlen.
DOMRADIO.DE: Mussten Sie intern dicke Bretter bohren oder waren Sie sich da alle direkt einig?
Schauen: Es hat etwas gedauert. Wir sind ein Verein und wir haben ein Aufsichtsgremium, unseren Verbandsrat. Da war schon eine große Diskussion nötig, um gemeinsam die gleiche Vision zu entwickeln. Solch ein Gebäudekauf bindet uns ja auf viele Jahre. Das ist nichts, wo man mal sagt, das probieren wir mal aus. Und dann, wenn es nicht klappt, lassen wir es wieder sein, denn das ist ja auf Dauer angelegt.
Da hat unser Verbandsrat zu Recht ein Zustimmungsrecht. Da waren wir in mehreren Sitzungen und haben uns gemeinsam vergewissert, dass wir das Ziel teilen. Letztendlich haben wir gemeinsam den Kauf genehmigt.
DOMRADIO.DE: Mit zum Plan gehört die Kneipe "LOTTA", die unten im Gebäude drin bleibt. Auf der anderen Seite haben Sie lauter junge Mädchen, die es mitunter im Leben schwer haben, die bei "IN VIA" mit im Boot sind, dann eine Ausbildung machen und dann in einer Wohnung, die von "IN VIA" vermietet wird, wohnen. Und unten ist eine Kneipe. Ist das nicht ein wahnsinnig hohes Risiko?
Schauen: Es gibt ja in Köln fast kein Haus, wo unten keine Kneipe drin ist, zumindest in der Südstadt (lacht). Ja, aber das ist ja lebensnah. Uns geht es ja nicht darum, Menschen einzuzäunen und sie vor allem Leid zu bewahren, sondern verantwortungsvollen Umgang und Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Und natürlich gehören da Kneipen dazu.
So nett wie die Leute in der "LOTTA" sind, mache ich mir da die wenigsten Sorgen. Ganz im Gegenteil, ich wünsche mir sehr, dass das irgendwie eine gute Community wird.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.