Katholischer Theologe ermutigt Christen

"Kern unseres Glaubens sehen"

Der Theologe Matthias Sellmann ermutigt Christen in Deutschland, sich trotz der aktuellen Kirchenkrise nicht entmutigen zu lassen. Er sieht die Krise als Chance, den Kern des Glaubens und die christliche Botschaft neu zu entdecken.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Kirchenbank / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Kirchenbank / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Christen in Deutschland sollen sich nach Auffassung des katholischen Theologen Matthias Sellmann nicht vom Missbrauchsskandal entmutigen lassen. "Ich glaube, dass wir gerade durch eine radikale Krise gehen", sagte er in einem Interview mit den Zeitungen der Verlagsgruppe Bistumspresse (Sonntag).

Matthias Sellmann / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Sellmann / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Aber ich glaube auch, dass es gut wäre, durch diese Krise hindurchzuschauen - und zu sehen, dass danach noch jede Menge übrigbleibt: der Kern unseres Glaubens und die christliche Botschaft."

Die ideale katholische Kirche ist nach Ansicht des Bochumer Pastoraltheologen fromm, geistlich und weise. Zugleich habe sie alle Reformen verwirklicht, die der Synodale Weg vorschlägt. Dazu gehörten verbindliche Beratungen, Entscheidungen und Wahlen durch Priester und Gläubige, ein anderer Umgang mit Finanzen, mehr Ökumene sowie Diakoninnen und Priesterinnen.

Anregung holen

Gleichzeitig spielten Mystik, Spiritualität und Orden eine stärkere Rolle als heute, so Sellmann weiter. Zudem engagierten sich Christen noch stärker als Bürger und sprächen frischer und überzeugter über ihren Glauben. Entsprechende Impulse und Anregungen erhofft sich der Theologe von einer dreitägigen Konferenz Mitte September in Hannover.

Bei der Veranstaltung mit dem Titel "Dennoch" sollten zudem Gäste aus dem Ausland erzählen, wie kirchliches Leben unter anderen Bedingungen funktioniert.

Schlechte innerkirchliche Stimmung

Die aktuelle kirchliche Stimmung ist laut Sellmann schlecht. "Das dominierende Gefühl ist Erschrecken darüber, dass Missbrauch und seine Vertuschung etwas mit dem System von Kirche zu tun haben, nicht mit einzelnen Personen."

Krise im Erzbistum Köln / © Sergej Axt (shutterstock)

Hinzu kämen enorme Ratlosigkeit, sehr viel Trauer sowie das Gefühl der Vergeblichkeit. "Viele Menschen strengen sich sehr an, in ihrer Familie, in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Gemeinde für gute religiöse Erlebnisse zu sorgen - und merken doch, dass ihre Energien verpuffen."

Faszination Jesus

Er selbst habe viel gelesen, gehört und gesehen, so der Theologe. "Aber nichts hat mich bisher so fasziniert und herausgefordert wie die Geschichten, Gedanken und Taten von Jesus. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die Jesus so geprägt hat, dass sie sehr frei, sehr großzügig und sehr unabhängig geworden sind. Das beeindruckt mich."

Quelle:
KNA