Katholischer EU-Politiker beklagt massiven Vertrauensverlust

"Jetzt ist die Zeit für harte Strafen"

Im EU-Parlament ist mutmaßliche Korruption aufgeflogen. Dabei hat die EU Ungarn gerade Hilfsgelder verwehrt und dies mit Korruptionsvorwürfen begründet. Der EU-Politiker Peter Liese hält das, trotz Widerspruch, für den richtigen Weg.

Europa-Fahnen vor dem EU-Parlament in Brüssel / © artjazz (shutterstock)
Europa-Fahnen vor dem EU-Parlament in Brüssel / © artjazz ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Denen kann man nicht mehr vertrauen. Haben Sie Verständnis dafür, wenn Leute Ihnen so etwas sagen?

Dr. Peter Liese (MdEP) (KNA)
Dr. Peter Liese (MdEP) / ( KNA )

Peter Liese (CDU-Europaabgeordneter und Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken): Ich bin selber erschrocken und stinksauer auf diejenigen, die sich korrupt verhalten haben. Das ist inakzeptabel. Ich muss aber auch die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen in Schutz nehmen, die ehrlich, redlich und fleißig ihren Job tun. Man sollte, wie in allen Lebensbereichen, nicht von Wenigen auf die Gesamtheit schließen. Umso wichtiger ist es, dass die Justiz jetzt ihre Arbeit macht, dass die Betroffenen ins Gefängnis kommen und die Verfahren schnell laufen. Und dass wir hart durchgreifen, überall dort, wo solche Dinge passieren.

Peter Liese, EU-Politiker und Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken

"Ich bin stinksauer, weil sie das Vertrauen von uns allen unterminieren"

DOMRADIO.DE: Von mehr und mehr Menschen hört man, dass sie der Politik nicht mehr vertrauen. Was macht das mit Ihnen persönlich? Kratzt das an Ihrer Berufsehre? Wenn Sie versuchen, das Beste für die Leute zu machen und trotzdem Misstrauen ernten?

Liese: Ja, deshalb bin ich auch so sauer auf diese Abgeordneten und einige Mitarbeiter. Ich bin stinksauer, weil sie das Vertrauen von uns allen unterminieren. Ich sehe das nicht als parteipolitisches Thema. Es sind zwar vor allem Sozialdemokraten und eine grüne Mitarbeiterin im Visier, aber es trifft uns alle und da muss man drauf reagieren. Ich bitte wirklich alle, das nicht zu pauschalisieren. Ich bin Arzt und ich habe früher in einer Kinderklinik gearbeitet, da habe ich sehr viele engagierte, redliche Kollegen gefunden. Aber es gibt auch Skandale in der Medizin und bei Ärzten. Deswegen sollte man auf gar keinen Fall den einzelnen Fall verallgemeinern. Wichtig ist, dass jetzt hart durchgegriffen wird und harte Strafen erfolgen für diejenigen, die sich hier skandalöserweise falsch verhalten haben.

DOMRADIO.DE: Der Zeitpunkt des Skandals wirkt fast schon ironisch, da die EU Ungarn 6,3 Milliarden Euro Hilfsgelder verwehrt hat. Begründet hat sie das gegenüber der ungarischen Regierung mit Korruptionsvorwürfen. Verliert die EU durch so einen Skandal ihre Argumentation und ihre moralische Hoheit?

Liese: Das macht diesen Skandal umso schlimmer. Aber wir müssen ganz klar sagen, dass es in Ungarn sehr viel Korruption gibt. Diejenigen, die sich so verhalten wie die angeklagte Eva Kaili, sitzen in Ungarn nicht im Gefängnis. In Belgien und in den meisten anderen EU Ländern wird bei so etwas durchgegriffen. In Ungarn gibt es von Seiten der Regierung tolerierte Korruption. Deswegen halte ich das für richtig, dass die Europäische Kommission und der Europäische Rat, auf Drängen des Europäischen Parlaments, die Gelder für Ungarn gesperrt haben und gesagt haben, dass man solche Zahlungen den Steuerzahlern der EU nicht zumuten kann. Wenn wir jetzt Ungarn davonkommen ließen, weil wir ein Problem mit einigen Personen haben, wäre das noch schlimmer.

Peter Liese, EU-Politiker und Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken

"Die belgische Justiz funktioniert. Diejenigen, die sich falsch verhalten und gegen Recht verstoßen haben, sitzen im Gefängnis. Und das ist ein gutes Zeichen"

DOMRADIO.DE: Was Sie sagen, entspricht ein bisschen dem Statement, was vom Präsidenten der Bischofskommission der Europäischen Union gekommen ist, von Kardinal Hollerich. Der sagt, dass es ein Verbrechen ist, was passiert ist. Dass es aufgeflogen ist, wertet er als ein gutes Zeichen, weil das zeigt, dass die Institutionen funktionieren. Könnte man das auch positiv bewerten? Gehen Sie da mit?

Liese: Absolut. Die belgische Justiz funktioniert. Und diejenigen, die sich falsch verhalten und gegen Recht verstoßen haben, sitzen im Gefängnis. Und das ist ein gutes Zeichen. Würden sie weiter auf freiem Fuß sein und weiter ihr Unwesen treiben können, dann wäre das schlimm. Wobei mir der letzte Beweis nicht vorliegt, aber ich traue den belgischen Behörden schon eine klare Abwägung zu zwischen Unschuldsvermutung und den Beweisen, die wir haben zu.

DOMRADIO.DE: Sie sind Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), also engagierter katholischer Laie aus Deutschland. Geht Ihnen auch etwas, aus der katholischen Brille betrachtet, durch den Sinn?

Liese: Vergebung ist ein ganz wichtiges christliches Prinzip. Als Katholik weiß ich aber auch, dass vor der Vergebung die Buße, die Einsicht und die Umkehr steht. Da sehe ich im Moment nichts bei den Betroffenen. Und deswegen ist das jetzt nicht die Zeit für Vergebung. Ich denke, jetzt ist die Zeit für harte Strafen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Quelle:
DR