Katholischer Betriebsseelsorger Helmer zur Lage bei Weltbild

Seelsorgliche Herausforderung

Als Spagat beschreibt der katholische Betriebsseelsorger seine Rolle beim insolventen Konzern Weltbild. Er wolle in der schwierigen Situation den Mitarbeitern zur Seite stehen, stellt sich aber auch auf harte Kritik ein.

Erwin Helmer (KNA)
Erwin Helmer / ( KNA )

KNA: Herr Helmer, was ist im Falle Weltbild für Sie als Betriebsseelsorger anders als etwa bei Schlecker?

Helmer: Weltbild war von den tariflichen Leistungen und Vereinbarungen her ein guter Betrieb, der nun in Schwierigkeiten gekommen ist. Bei Schlecker stellte sich das ganz anders dar. Die Drogeriemarktkette hatte zuvor versucht, sich über Leiharbeit zu sanieren. Weltbild dagegen hat in den vergangenen Jahren noch viele der zuvor als Leiharbeiter tätigen Arbeitskräfte übernommen. Dafür waren wir als Betriebsseelsorger sehr dankbar.

KNA: Kriegen Sie jetzt den Frust der Mitarbeiter ab, weil diese das Gefühl haben, die Kirche lasse sie im Stich?

Helmer: Meine zwei Kollegen und ich sind mit dem Betriebsrat und den Beschäftigten in Kontakt, heute auch bei der anstehenden Betriebsversammlung. Wir wissen, worauf wir uns einstellen können.

Zuvor haben wir schon die 140 Beschäftigten des Kundencenters betreut, die, als von Insolvenz noch keine Rede war, im November 2013 erfuhren, dass ihre Abteilung geschlossen wird. Bereits damals waren wir mit den Ängsten der Menschen konfrontiert. Wenn etwa eine alleinstehende und allein verdienende Mutter sich um ihre Zukunft und die ihrer Kinder sorgt, und sich zugleich fragt, wie das die Kirche verantworten kann. Da hören wir uns als Betriebsseelsorger sicher in den nächsten Wochen noch einiges an.

KNA: Wie halten Sie dagegen, was sagen Sie?

Helmer: Wir sind nicht in der Verteidigungsrolle, sondern wir reden mit den Leuten ganz vernünftig. Emotionen, ganz viel Ärger, Wut und Sorgen müssen raus, auch manch Hartes muss gesagt werden. Da haben wir kein Problem. Aber danach muss mit dem Beschäftigten nüchtern und sachlich alles betrachtet werden: Was heißt das für die Abteilung, wo ich tätig bin? Wie schaut es mit der Familie aus? Was macht der Betriebsrat?

KNA: Sie führen also auf die Realität zurück?

Helmer: Ja. Zu klären ist: Was hat der Einzelne für Gedanken, für Perspektiven? Dabei gilt es auch Ängste und Gerüchte zurechtzurücken.

Eine Aussage wie "Jetzt ist alles aus. Der ganze Betrieb geht flöten", stimmt ja nicht. Das ist ja nicht das "Todesurteil" für die Beschäftigten. Durch den Antrag auf Insolvenz ist bis zum 1. April 2014 der Lohn gesichert. Inzwischen wird ein Investor gesucht. Es geht darum, die Bedingungen auszuhandeln. Das werden die Gewerkschaft, der Betriebsrat mit der Unternehmensleitung machen. Als Betriebsseelsorger können wir da unsere Fachkompetenz einbringen.

KNA: Was erhoffen Sie sich von der Kirche?

Helmer: Es gibt das Versprechen, die sozialen Maßnahmen durch die schon zugesagten Gelder abzufedern. Daran, denke ich, wird die Öffentlichkeit die Kirche messen. Wir als Betriebsseelsorger befinden uns natürlich in einem Spagat. Wir wollen in dieser schwierigen Situation bei den Menschen sein, müssen uns aber von ihnen einiges anhören. Aber es wird Möglichkeiten geben, auch Lösungen für Einzelfälle zu finden - nicht nur auf finanzieller Ebene.

KNA: Sie haben stets die katholische Soziallehre hochgehalten. Wird das für die Kirche jetzt eine Bewährungsprobe?

Helmer: Bis 2013 war Weltbild ein Unternehmen, in dem sich die Geschäftsführung und die Kirche als Geldgeber wirklich bemüht haben, die Standards einzuhalten. Das ist auch weitgehend gelungen. Durch das Insolvenzverfahren sind die Möglichkeiten der Kirche nun begrenzt. Der Insolvenzverwalter bestimmt, die Kirche hat ab jetzt wenig zu sagen. Über uns als Betriebsseelsorger bleibt sie aber Ansprechpartner. Und wir werden versuchen auszuloten, wie geholfen werden kann.

Das Interview führte Barbara Just


Quelle:
KNA