Katholische Zeitungen kränkeln, deshalb setzt die Kirche auf Rundfunk

Die heilige Macht im Äther

 (DR)

Berlin - „Stille Macht, Heilige Macht", hat ein Spaßvogel unter den Medienjournalisten vor Jahr und Tag die bunte Vielfalt katholischer Publizistik genannt. 123 Titel von 85 in der Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse (AKP) vereinigten Verlagen kamen Ende 1999 auf rund sechs Millionen Exemplare. Aber die „Macht'1 bröckelt unaufhörlich. Allein die Auflage der Bistumszeitungen (24) schrumpfte von fast 2,4 Millionen im Rekordjahr 1962 auf nur noch 1,07 Millionen im vierten Quartal letzten Jahres. Ein kontinuierlicher Schwund um 3,5 Prozent. Da wirkt es unfreiwillig komisch, wenn die AKP in einer Hochglanzbroschüre mit dem Slogan „Wissen, wohin es geht" für ihre Produkte wirbt. Es geht stetig gen Abgrund.
Einen halben Studientag widmet die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz morgen in der Gutenbergstadt Mainz dem Dauerpatienten katholische Presse.
Das reicht gerade für einen Blick in die Krankenakte. Zumal noch andere Problemfälle zur Debatte stehen. Die Katholische Nachrichten-Agentur kämpft, obwohl sie an Professionalität gewonnen hat und für die weltliche Presse zu einer unentbehrlichen Quelle für Kirchliches geworden ist, gegen finanzielle Restriktionen. Drei Jahre hintereinander wurden die Zuschüsse um jeweils fünf Prozent gekürzt. Drei KNA-Büros (Hamburg, Wiesbaden, Nürnberg) muss-ten schon auf einfache Korrespondentenstellen zurückgefahren werden. In Berlin arbeiten fünf KNA-Redakteure. Sie sind zuständig für die neuen Bundesländer und die Hauptstadtberichterstattung. „Wir sind an der unteren Grenze des Vertretbaren angekommen", sagt Chefredakteur Helmut S. Ruppert. Allmählich geht es an die Substanz. Ist die KNA eine katholische, also das gesamte Spektrum des Katholizismus ausleuchtende Fachagentur, die auch mal einen kritischen Geist wie Hans Küng zu Wort kommen lässt, oder eher Sprachrohr der „Amtskirche" - diese alte Streitfrage ist auch 48 Jahre nach der Gründung von der kirchlichen Hierarchie nicht eindeutig beantwortet. „Würde man uns als Superpressesteile verstehen, dann wäre die Agentur tot", heißt es in der Bonner KNA-Zentrale.
Zu den Zuschussempfängern, deren Unternehmensziele auf dem Prüfstand stehen, zählt auch der „Rheinische Merkur" (RM) - nach dem Tod von „Publik" (1971) die einzige katholisch geprägte Wochenzeitung von Format, wenn auch ihr Segment „Christ und  Welt" mit drei Seiten kümmerlich ausfällt. Die Auflage liegt bei     110 000 Exemplaren. Der „RM" wird durch eine jährliche Finanzspritze - Eingeweihte sprechen von bis zu 15 Millionen  Mark - am Leben gehalten.
Gegen die Subventionsmentalität, die eine „Marktverstopfung" fördere, wettert vor allem die katholische „Neue Bildpost" aus Hamm, die Ende 1999 aus eigener Kraft den Gang an die Kioske gewagt hat. Auf der Gewinnerseite sieht sich auch die dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung „Die Tagespost" (Würzburg), die eine streng konservative Leserschaft bedient. Sie hat 1999 mit dem Sprung nach Österreich ihre Auflage um rund 500 Stück auf 15 000 erhöhen können. Vor allem bayerische Bischöfe halten die Hand über dieses Blatt und fordern eine stärkere finanzielle Unterstützung ein.
Zu einem publizistischen Gesamtkonzept wird sich die Mainzer Konferenz nicht aufraffen können. Die katholischen Medienfunktionäre wenden sich momentan ohnehin viel lieber den elektronischen Angeboten zu. Im Dezember 1999 ging in Frankreich die katholische TV-Station KTO „auf Sendung": zehn Stunden täglich, teilweise über Astra-Satellit. Dieses Modell lässt sich nicht so einfach kopieren. Dafür ist die medienpolitische Situation zu unterschiedlich. Die Kirchen verfügen bei ARD/ZDF und bei Privaten über attraktive Sendeplätze. Dennoch träumen Medienberater von einem „katholischen Hörfunk" in Deutschland. Der Misserfolg von Radio Campanile, das 1997 in Ludwigshafen an den Start ging, aber schon nach einem Jahr Konkurs anmeldete, hat sie nicht entmutigt. Das Laien-Unternehmen war zu dilettantisch und halbherzig betrieben worden.
Interessiert schaut die katholische Medienwelt deshalb auf das Kölner Experiment: Unter dem Dach des Bildungswerks der reichen Erzdiözese und aus Haushaltsmitteln   finanziert, entsteht ein „Dom Radio , das bereits mit einer Satellitenfrequenz für zehn Jahre ausgestattet wurde. Geplant ist ein unterhaltendes Vollprogramm mit zeitgenössischer Musik, Nachrichten, allgemein informierenden und verkündigenden Sendungen. Kooperationen mit Radio Vatikan und Radio Horeb, das sich mit dem Wohlwollen des Augsburger Bischofs Viktor Josef Dam-mertz an ein frommes, marianisch orientiertes Publikum wendet. Ein „Milieu-Radio" wie Radio Horeb soll Dom Radio nicht werden, es soll über die Kirchentreuen im Rheinland hinaus wirken. „Man will Erfolg, aber kontrollierten", urteilt ein Mitarbeiter der katholischen „Funk-Korrespondenz" und verweist auf das Wiener Radio Stephansdom.
Das Dom Radio sollte ursprünglich zu Ostern den Sendebetrieb aufnehmen. Jetzt ist von Pfingsten die Rede. Nicht nur die Kölner sind gespannt, ob der Heilige Geist die rheinischen Rundfunkmacher inspiriert. Dom Radio als Nukleus eines katholischen Rundfunksenders für Deutschland? Auf jeden Fall ein Experiment, das für Aufsehen sorgt.