Katholische Vertreter gegen Widerspruchslösung bei Organspende

Eher eine Abgabepflicht als eine Spende?

Katholische Vertreter haben das Plädoyer von Gesundheitsminister Jens Spahn für eine Widerspruchslösung bei der Organspende scharf kritisiert. Auch die katholischen deutschen Bischöfe sehen einen Systemwechsel skeptisch.

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Corinna Buschow (epd)
Organspenden künftig mit Widerspruchslösung? / © Axel Heimken (dpa)
Organspenden künftig mit Widerspruchslösung? / © Axel Heimken ( dpa )

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat erhebliche ethische Bedenken gegenüber einer möglichen Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende. Eine Organspende sei ein Akt von hohem moralischen Wert und eine besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe über den Tod hinaus, sagte Pressesprecher Matthias Kopp am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.

Die bestehende Entscheidungslösung, die erst vor sechs Jahren beschlossen worden sei, gewährleiste die Möglichkeit einer freien und informierten Entscheidung und respektiere das Selbstbestimmungsrecht.

Kopp betonte, die Bischöfe befürworteten Maßnahmen, um die Abläufe in der Transplantationsmedizin zu verbessern, etwa mit Blick auf mehr Kompetenzen für die Transplantationsbeauftragten und eine bessere Finanzierung für die beteiligten Krankenhäuser.

"Eine Grundsatzdebatte über die Systemfrage einschließlich der Widerspruchlösung sollte dabei nicht an erster Stelle stehen", sagte er. Zudem zeige der Blick auf andere Länder, dass alleine die Umstellung auf die Widerspruchslösung nicht dazu führe, dass mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung stehen.

Kritik vom Ethikrat

Scharfe Kritik an dem Vorhaben Spahns äußerte derweil der Sozialethiker und Vorsitzende des deutschen Ethikrates, Peter Dabrock. Solch eine Regelung würde einen "fundamentalen Paradigmenwechsel" darstellen.

Das sagte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Die bisherige Organspenderegelung habe den Charakter von Freiwilligkeit und wohltätiger Solidarität mit Schwerkranken. Mit der Regelung, bei der jeder Spender sein soll, solange er nicht widerspricht, müsste man von "Organabgabepflicht" statt von "Organspende" sprechen, sagte Dabrock.

Katholikenkomitee betont Freiwilligkeit der Organspende

Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) widerspricht dem Vorstoß des Ministers. "Man kann die Organspende nicht einfach zur rechtlichen und moralischen Pflicht erklären", sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Dienstag).

"Eine Organentnahme ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen ist ein sehr weitgehender Eingriff in die Integrität des Menschen und seines Körpers", fügte Sternberg hinzu. Er habe Zweifel, ob eine Lösung, bei der ein ausdrücklicher Widerspruch des Betroffenen oder seiner Angehörigen erforderlich wäre, um die Organentnahme zu verhindern, ethisch zu vertreten sei. Die Organspende sei ein Akt der christlichen Nächstenliebe. "Das Prinzip Freiwilligkeit haben wir immer sehr hochgehalten."

Organspende zum Normalfall?

Bundesgesundheitsminister Spahn hatte der "Bild"-Zeitung (Montag) gesagt, dass nur mit der Widerspruchslösung die Organspende zum Normalfall werden könne. Jeder Deutsche würde damit automatisch ein Spender sein, sofern er oder seine Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen. In Deutschland gilt bislang die sogenannte Entscheidungslösung, so dass eine Entnahme nur möglich ist, wenn eine Zustimmung vorliegt.

Die Widerspruchslösung, die in anderen europäischen Ländern gilt, wurde in der Vergangenheit immer wieder in die Diskussion gebracht als Möglichkeit, die Organspendezahlen zu erhöhen. Dabrock hält den Befürwortern entgegen: "Eine solche Regelung würde den menschlichen Körper zu einem Objekt staatlicher Sozialpflichtigkeit machen."

Gegen den Geist der Verfassung

In diesem allerhöchst persönlichen Bereich eine Aussagepflicht zu verlangen, widerspreche dem Geist, mit dem Gesetzgeber und Gerichte bisher die Verfassung ausgelegt hätten. "Es wird als ein großer Fortschritt gefeiert, dass die Datenschutzgrundverordnung die ausdrückliche Zustimmung bei jeder Datenweitergabe fordert. Und nun wird debattiert, dass bei der Verwendung des eigenen Körpers über den Tod hinaus der Widerspruch leitend sein soll", sagte der Erlanger Theologieprofessor.

Dabrock begrüßte die in der vergangenen Woche vorgestellten Gesetzespläne Spahns zur besseren Vergütung der Organspende. Man müsse erst abwarten, ob diese Maßnahmen greifen, sagte der Vorsitzende des Ethikrates, der nach eigenen Worten selbst einen Organspendeausweis hat.


Quelle:
epd , KNA