Katholische Kirche sorgt sich um die Nöte irregulärer Zuwanderer

Trotz Schmerzen kein Gang zum Zahnarzt

Schätzungsweise eine Million Menschen leben in Deutschland in der Illegalität - und das bedeutet oft nicht nur medizinische Unterversorgung. Betroffene leiden unter noch ganz anderen sozialen Problemen. Besonders die Kirche macht sich für diese Zuwanderer stark und fordert einen besseren humanitären Umgang.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Schwarzfahren kommt für sie keinesfalls in Frage - obwohl sie meist wenig Geld haben. Und trotz heftigster Zahnschmerzen meiden sie den Arzt wie der Teufel das Weihwasser - wodurch oftmals alles noch schlimmer wird. Menschen, die ohne Aufenthaltsberechtigung in Deutschland leben, wollen vor allem
eines: nicht auffallen. Ob bei einer Fahrkartenkontrolle oder in einer Praxis - ihr irregulärer Status könnte ja entdeckt werden und am Ende zur Abschiebung führen.

Der Sekretär des Päpstliches Rates für Migrantenseelsorge, Erzbischof Agostino Marchetto, betonte bei einem Besuch am Donnerstag in Köln, dass auch irreguläre Zuwanderer - von «Illegalen» wollte er nicht sprechen - Menschenwürde und Menschenrechte besitzen. Und das bedeutet für ihn auch, für die Notlagen dieser Menschen eine Lösung zu finden. Ganz konkret wurde der Vorsitzende des Katholischen Forums «Leben in der Illegalität», Weihbischof Josef Voß. Er findet es ein Unding, wenn Kinder nicht zur Schule angemeldet werden, weil dann der Direktor den Aufenthaltsstatus dem Sozialamt melden muss.

Kritisch sieht es der Weihbischof auch, wenn nicht gemeldete Migranten beispielsweise als billige Pflegekraft in einem Privathaushalt arbeiten, ihnen aber nicht der vereinbarte Lohn bezahlt wird. Dieser müsse eingeklagt werden können. Zudem fordert Voß, die Hürden für eine medizinische Behandlung irregulärer Zuwanderer zu senken. So solle auch für Krankenhäuser die Meldepflicht entfallen; schließlich hätten Ärzte wie Lehrer andere Aufgaben als Polizisten. Dass sich der Rechtsstaat mit nicht erlaubter Zuwanderung schwer tut, räumt Voss ein. Andererseits weist er darauf hin, dass es wegen des auch von den Industriestaaten verursachten Wohlstandsgefälles immer wieder zu Migration kommen werde und diese trotz aller Abschottungsversuche nicht zu stoppen sei.

Auf die medizinischen Probleme versucht die Kirche in Deutschland eine praktische Antwort zu geben: In zehn Städten gibt es inzwischen die sogenannte Malteser Migranten Medizin (MMM), deren Mitarbeiter Menschen ohne Krankenversicherung, darunter irreguläre Zuwanderer, kostenlos behandeln. Voß und Marchetto besuchten die Kölner MMM-Praxis und zeigten sich tiefbeeindruckt von der spendenfinanzierten Hilfe. Seit deren Gründung im Jahr 2001 haben laut MMM-Leiterin Angelika Haentjes-Börgers die mehr als 20 ehrenamtlich tätigen Ärzte fast 15.000 Menschen behandelt; 250 Geburten wurden registriert.

Angesichts der eine Million Menschen ohne Papiere spricht sie aber nur von einem «Tropfen auf den heißen Stein». Am liebsten wäre ihr, wenn es die Migranten Medizin gar nicht geben müsste und eine Behandlung in normalen Praxen und Krankenhäusern ohne drohende Abschiebung möglich wäre. Auch Voß spricht von einer «ersten Notfallversorgung» - und mahnt einen «tragfähigen Konsens in Gesellschaft und Politik» für eine flächendeckende und tragfähige Lösung an. In Sachen Schulbesuch sieht er Bewegung, bei den anderen Themenfelder noch viel Überzeugungsbedarf.