Katholische Kirche in Schwedt wegen Oder-Katastrophe besorgt

Unabsehbare Folgen?

Das Massensterben der Fische in der Oder ist für die Menschen, die dort leben, eine zusätzliche Belastung zu den bereits existierenden Problemen. Diakon Georg Richter sieht jahrzehntelange Bemühungen um den Fluss zunichte gemacht.

Tote Fische haben sich an einem Wehr in der Nähe von Schwedt an der Oder gesammelt / © Patrick Pleul (dpa)
Tote Fische haben sich an einem Wehr in der Nähe von Schwedt an der Oder gesammelt / © Patrick Pleul ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie sehr schmerzt es Sie, diese Berge von toten Fischen zu sehen?

Diakon Georg Richter (Katholische Gemeinde Mariä Himmelfahrt Schwedt an der Oder): Das ist eine große Katastrophe, die zusätzlich zu den anderen Dingen, die uns beschäftigen, ganz plötzlich auf uns zukommt. Die Oder ist für uns ein ganz wesentlicher Fluss. Wir sind als Stadt an der Oder gelegen.

Wir haben den Nationalpark vor der Tür, der auch Naherholungsgebiet für die Region und für das gesamte Land ist und viele Gäste anzieht. Einige wenige sind auch wirtschaftlich von der Oder-Fischerei abhängig. Es ist traurig zu sehen, was sich innerhalb kürzester Zeit ohne Vorwarnung entwickelt hat. Das hat uns auch ein bisschen erschüttert, weil die Katastrophe ja schon seit mindestens zwei Wochen auf polnischer Seite sichtbar ist.

Die Aufregung ist natürlich vor allem für diejenigen besonders groß, die das jetzt vor Ort sehen. Wir haben sehr viele Grenzgänger, die nach Polen fahren oder in Polen wohnen und in Deutschland arbeiten, die über die Grenze fahren und dann auch hautnah sehen, was dort vor Ort los ist.

Diakon Georg Richter

"Sehr schmerzvoll ist, dass die Bemühungen der letzten Jahrzehnte, den Fluss von früheren Verschmutzungen sauber zu bekommen, durch diese Umweltkatastrophe deutlich zurückgeworfen worden sind."

Sehr schmerzvoll ist, dass die Bemühungen der letzten Jahrzehnte, den Fluss von früheren Verschmutzungen sauber zu bekommen, durch diese Umweltkatastrophe deutlich zurückgeworfen worden sind.

WWF fordert Ende des Ausbaus der Oder

Der WWF in Deutschland und Polen fordert angesichts der Umweltkatastrophe in der Oder den Stopp laufender Ausbauarbeiten an dem Fluss. Vordringlichstes Ziel sei jetzt die Regenerierung und Renaturierung der Oder durch naturnahe Maßnahmen, erklärten die beiden Umweltverbände am Mittwoch in Berlin. Der Oder müsse ermöglicht werden, sich von den Auswirkungen der toxischen Belastung zu erholen.

Die Oder bei Lebus / © Patrick Pleul (dpa)
Die Oder bei Lebus / © Patrick Pleul ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie haben vom Naherholungsgebiet gesprochen. Ist das jetzt gesperrt? Können die Menschen da nicht mehr hin?

Richter: Die Menschen können natürlich die Wege weiter betreten. Es wird davon abgeraten, das Wasser zu berühren, weil man im Moment immer noch nicht abschätzen kann, welche Giftstoffe im Wasser sind. Baden ist auch untersagt, weil nach wie vor nicht gesichert ist, ob es da zu Gesundheitsschäden kommen kann.

Gerade für die lokale Badestelle, die sich zwar nicht direkt an der Oder, aber an einem Nebenarm befindet, ist das eine große Einschränkung. Im Wasser baden geht im Moment nicht.

DOMRADIO.DE: Teilen Sie die Angst, dass das Trinkwasser verseucht sein könnte?

Richter: Die Angst ist natürlich da. Die Fragen sind auch schon gekommen. Im Moment können wir uns da nur auf die Aussagen der Fachleute verlassen, die eindeutig gesagt haben, dass es momentan keine Gefährdung gibt. Aber die Angst ist natürlich da.

DOMRADIO.DE: Es gibt auch andere Themen wie die Pandemie, Krieg in Europa, Energiekrise, Dürre und Waldbrände. Und jetzt so was. Wie gehen Sie damit um?

Diakon Georg Richter

"Das Maß an Katastrophenmeldungen, das hat momentan eine Ebene erreicht, die durchaus hoch ist."

Richter: Das Maß an Katastrophenmeldungen hat momentan eine Ebene erreicht, die durchaus hoch ist. Wir haben auch mit der Energiekrise zu kämpfen. Wir sind selber als Standort einer großen Raffinerie betroffen, wenn es um die Frage Ölembargo geht, was ja ins Haus steht, was doch, wenn das nicht richtig funktioniert, große Auswirkungen auf die Region hätte.

Die Raffinerie, die immerhin 10 Prozent des deutschen Raffineriebedarfs abdeckt und auch die gesamte Region Berlin-Brandenburg mit Treibstoff versorgt, ist der Arbeitgeber Nummer eins in der Region. Das hätte schon erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Region. Deswegen ist die Angst schon sehr groß.

Diakon Georg Richter

"Wir haben ja in den vergangenen Jahren so ein kleines, zartes Pflänzchen Tourismus in der Region aufgebaut. Viele Tourismus-Anbieter haben sich da etabliert. Das ist alles noch sehr fragil."

Dann kommt jetzt die Umweltkatastrophe dazu. Wenn dann die Fahrrad-Touristen abspringen und sagen "Nein, dieser extreme Gestank am Fluss, da wollen wir jetzt nicht hin, das ist uns zu gefährlich", dann ist das natürlich für alle eine schwierige Situation.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR