Katholische Kirche begrüßt Studiengang für islamische Theologie

"Muslime können von uns lernen"

Bis Ende des Jahres soll der Studiengang für islamische Theologie an deutschen Universitäten Realität werden. In dem Fach "Islamische Studien" sollen Religionspädagogen und Imame für den Dienst in islamischen Gemeinden und den Religionsunterricht ausgebildet werden. Dr. Thomas Lemmen vom Referat Interreligiöser Dialog im Erzbistum Köln begrüßt im domradio.de-Interview das Vorhaben.

 (DR)

domradio.de: Warum ist es so schwer, in Deutschland einen Universitätslehrgang "Islamische Theologie" aufzubauen?
Thomas Lemmen: Die Schwierigkeit liegt darin, dass der Staat das nur in Kooperation mit Religionsgemeinschaften zusammen machen kann. So haben das Konkordat und die Staatskirchenverträge das zwischen dem Staat und den Kirchen geregelt und so wurde das dann in Deutschland aufgebaut. Auf muslimischer Seite fehlt dem Staat nun ein vergleichbarer Ansprechpartner, der sagen könnte, welche Inhalte denn in einem solchen Ausbildungsgang gelehrt werden sollen.

domradio.de: Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan meint, nur Lösungen vor Ort wären da sinnvoll, weil so viele islamische Religionsgemeinschaften bundesweit existieren, dass eine zentrale Regelung schwer möglich ist. Sie führt da das Beirats-Modell ein. Was ist das genau?
Lemmen: Das Beirats-Modell ist der Versuch, mit muslimischen Organisationen inhaltlich zu einer Einigung zu kommen, indem man sie an der Auswahl von Professoren und der Lehrinhalte beteiligt, ohne dass das gleich ein formelles Verfahren, vergleichbar den katholischen und evangelischen Fakultäten, bei denen dies auf Vertrags- oder Gesetzesgrundlage geschieht, wäre. Sozusagen eine Notlösung, eine Hilfskonstruktion, weil der Ansprechpartner in formalem Sinne fehlt, will man die Muslime wenigstens beteiligen, indem sie sich in einem Beirat dazu äußern und mitwirken können.

domradio.de: Ist da nicht Ärger vorprogrammiert, weil es eben verschiedenste Strömungen gibt?
Lemmen: Es ist klar: Man kann nicht den einen Ansprechpartner auf Bundesebene finden, sondern, wie Schavan richtig vorschlägt, man muss  auf die Länderebene gehen und die Religionsgemeinschaften oder die Organisationen, die es in einem Land gibt, beteiligen. Das sind eben mehrere. Es gibt nicht eine islamische Organisation, sondern allein in Köln fünf oder sechs große Moschee-Vereine, die nach diesem Modell sinnvollerweise an einen Tisch zu bringen wären. Und die sind unterschiedlich.

domradio.de: Wenn man jetzt den Universitätslehrgang "Islamische Theologie" an den deutschen Universitäten haben möchte, inwieweit kann man da die Erfahrungen mit der katholischen Kirche mit einbringen, um das zu installieren?
Lemmen: Ich denke, dass Muslime gut beraten wären, oder dass es für sie von Vorteil sein könnte, aus den Erfahrungen zu lernen, die die Kirchen in diesem Bereich gemacht haben. Zunächst muss man sagen, die Vermittlung religiösen Wissens ist eigentlich eine Angelegenheit der Religionsgemeinschaften selbst. Es ist den Religionsgemeinschaften überlassen, das für den internen Bereich für sich selbst zu organisieren, ohne dass der Staat ihn dazwischen- oder mitredet. In den Fragen, in denen die Religionsgemeinschaften aber mit dem Staat kooperieren, z.B. beim Religionsunterricht, braucht man auch eine Kooperation in der Ausbildung der Religionslehrer, in der wissenschaftlichen Ausbildung an den Universitäten. Die heutige Regelung in Deutschland ist natürlich auch das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklungen, die dann irgendwann in eine Form gebracht wurden, die die Beziehungen zueinander regelte. Das lässt sich nicht so einfach 1:1 auf eine zugewanderte Religionsgemeinschaft, die längst Teil der Gesellschaft geworden ist, übertragen, sondern da muss man auf muslimischer Seite nach Möglichkeiten suchen, wie diese Verbindlichkeit des Ansprechpartners geschaffen werden kann. Man muss aber auch von staatlicher Seite aus anerkennen, dass eine 1:1-Übertragung des Modells der evangelischen und katholischen Kirche nicht möglich ist.

domradio.de: Und darum muss man nach anderen Lösungen suchen. Warum ist es so wichtig, dass es an deutschen Schulen muslimischen Religionsunterricht gibt?
Lemmen: Weil der Religionsunterricht wichtig ist für die Entwicklung einer muslimischen Identität in Deutschland und wir bisher keine Form der religiösen Vermittlung an deutschen Schulen haben. Es gibt kein solches Angebot und auch die katholische Kirche befürwortet einen konfessionellen Religionsunterricht für muslimische Schüler auf der Grundlage des Grundgesetzes, also so, wie er auch für andere Religionsgemeinschaften organisiert ist, nämlich als ein identitätsbildendes Moment - es geht ja um muslimische Identität in der deutschen Gesellschaft. Da sind die Imame oder Religionslehrer, die aus dem Ausland kommen, in den ersten Jahren hilfreich gewesen, aber das kann keine Lösung auf Dauer sein, sondern wir brauchen Religionslehrer, die in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert sind, die hier ihre Qualifikation erworben haben.

domradio.de: Das ist dann auch die Idee für die Imame in der Zukunft - dass man sagt, die kommen nicht unbedingt alle z.B. aus der Türkei und lehren dann hier in den Moscheen, sondern man möchte mit diesem Unterrichtsfach und mit diesem Studiengang erreichen, dass Imame, die hier aufgewachsen sind, auch hier ausgebildet werden.
Lemmen: So ist es. Das ist der zweite Aspekt, die Ausbildung von haupt- oder ehrenamtlichem Personal in den Moscheegemeinden. Anstelle der aus dem Ausland eingereisten Imame, die oft nur für wenige Jahre bleiben, sollen Personen tätig werden, die in Deutschland aufgewachsen sind und sich mit den deutschen Verhältnissen auskennen, die auch die deutsche Sprache beherrschen.

domradio.de: Nun ist davon die Rede, dass schon in wenigen Monaten der erste Studiengang eröffnet werden soll. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das noch dieses Jahr der Fall ist?
Lemmen: Man muss schauen, wie realistisch das ist. Es gibt gute Erfahrungen an der Universität Osnabrück, dort sind mittlerweile zwei islamische Wissenschaftler in Abstimmung mit den muslimischen Organisationen im Lande tätig. Das hat gut geklappt. In NRW hat das in Münster weniger gut funktioniert. Die Erfahrungen von einzelnen Modellversuchen sind sehr unterschiedlich, aber es ist allemal den Versuch wert, es auf ein Neues zu beginnen, um zu einer vernünftigen und tragfähigen Lösung zu kommen.