Katholische Gemeinden wachsen trotz Säkularisierung in Schweden

Messen mit bunt gemischter Besucherschar

Schweden ist viel stärker säkularieriert als Deutschland. Trotzdem suchen viele Menschen im Land nach Sinn, auch in katholischen Gemeinden. Die Journalistin Hilde Regeniter war jüngst mit dem Bonifatiuswerk in Schweden unterwegs.

Blick auf Stockholm / © George Trumpeter (shutterstock)
Blick auf Stockholm / © George Trumpeter ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Bonifatiuswerk in Schweden ist zuständig ist für Katholikinnen und Katholiken in Minderheitensituationen. Wie sieht das katholische Leben dort aus?

Hilde Regeniter / © Nicolas Ottersbach (DR)
Hilde Regeniter / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Hilde Regeniter (Journalistin und DOMRADIO.DE-Redakteurin): Katholikinnen und Katholiken machen in Schweden nur etwas über ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Sie sind also eine sehr kleine Kirche. Aber eine sehr feine - und vor allem eine, die wächst. Das ist etwas Besonderes, denn die schwedische Kirche, die lutherische Kirche also, die über Jahrhunderte das religiöse Leben im Land bestimmt hat und bis 2000 sogar Staatskirche war, schrumpft schon lange kontinuierlich. Die Mehrheitsgesellschaft hat mit Religion und Kirche kaum noch was am Hut. Studien haben immer wieder ergeben, dass die Säkularisation in Schweden weltweit mit am weitesten fortgeschritten ist. Allerdings beobachten Fachleute seit einiger Zeit, dass diese Verweltlichung gerade stillsteht, also nicht weiter voran schreitet.

DOMRADIO.DE: Woran liegt das?

Regeniter: Wahrscheinlich daran, dass angesichts der aktuellen Krisen und Konflikte viele Menschen auf der Suche sind nach etwas, das über die eigene kleine Bubble hinausgeht. Etwas, das Halt, Orientierung und Hoffnung gibt.

Hilde Regeniter

"Früher musste man sich in Schweden für das Katholischsein entschuldigen, sagen sie."

DOMRADIO.DE: Und das suchen sie jetzt in der katholischen Kirche?

Regeniter: Tatsächlich weist ein zarter Trend in diese Richtung. Viele Ältere früher haben die protestantische Staatskirche als zwangsverordnet erlebt und suchen jetzt eher woanders - gern eben auch mal in der katholischen Kirche, die sie als Hort von Kultur und Spiritualität sehen. Jüngere fühlen sich oft von der katholischen Kirche als weltweite Gemeinschaft angesprochen.

So haben uns zum Beispiel deutsche Jesuitenpatres, die schon lange vor Ort arbeiten, erzählt, dass sie so etwas wie einen geistlich-geistigen Klimawandel beobachten. Früher musste man sich in Schweden für das Katholischsein entschuldigen, sagen sie. Das sei aber schon lange nicht mehr so. Viele Ordensschwestern und Gemeindereferenten, die wir getroffen haben, haben Ähnliches gesagt.

DOMRADIO.DE: Dass katholische Gemeinden wachsen, kennen wir hier gar nicht mehr. Warum ist das in Schweden so – sicher nicht nur wegen den schwedischen Orientierungssuchern, die konvertieren?

Regeniter: Nein. Vor allem liegt es daran, dass Schweden schon seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist. Menschen aus katholisch geprägten Ländern wie Polen, den Philippinen, Chile oder Eritrea haben eben auch ihren Glauben mit nach Schweden gebracht. In vielen katholischen Gemeinden gibt an die 100 unterschiedliche Nationalitäten – die größeren haben auch Gottesdienste in ihrer Muttersprache. 

Aber weil sich viele Migranten in zweiter, dritter oder vierter Generation längst als Schweden sehen, geht hier der Trend zu Messen auf Schwedisch mit ganz bunt gemischter Besucherschar. Da sitzt dann die blonde Dame aus Polen neben dem jungen Mann afrikanischer Abstammung oder einer Frau aus dem Irak. 

Das ist schon beeindruckend zu sehen, wie international und wie jung die Gemeinden sind und wie trubelig es beim Kirchenkaffee danach zugeht. Nicht umsonst nennen die Schweden den auch "Das achte Sakrament".

Hilde Regeniter

"Das ist schon beeindruckend zu sehen, wie international und wie jung die Gemeinden sind und wie trubelig es beim Kirchenkaffee danach zugeht."

DOMRADIO.DE: Was gab es überhaupt alles zu sehen?

Regeniter: Wir sind von Malmö in Südschweden bis nach Stockholm gefahren und haben unterwegs immer wieder vor allem in Frauenklöstern Halt gemacht. Ordensfrauen spielen eine ganz wichtige Rolle für die kleine katholische Kirche in Schweden. Je nach Ausrichtung leisten sie soziale Arbeit, bieten in ihren Gästehäusern Platz und den Leuten ein offenes Ohr. Wir waren auch in der einzigen katholischen Hochschule Skandinaviens, die lustigerweise in einer ehemaligen Fleischklops-Fabrik in Uppsala untergekommen ist und floriert. 

Kathedrale St. Erich in Stockholm / © Estea (shutterstock)
Kathedrale St. Erich in Stockholm / © Estea ( shutterstock )

Und wir haben die überaus lebendige Stockholmer Innenstadtgemeinde Sankt Eugenia besucht, die wie so viele katholische Gemeinden in Schweden, vor allem ein Problem hat: Sie braucht mehr Platz. Und da kommt ja das Bonifatiuswerk ins Spiel, dass als Hilfswerk in solchen Situationen zum Beispiel auch Um- oder sogar Neubauten mit finanzieren kann.

DOMRADIO.DE: Welche Eindrücke konnte man von der Reise mitnehmen?

Regeniter: Erst mal den Eindruck eines landschaftlich wunderschönen Landes voller Birkenwälder, Seen und Weite mit sehr freundlichen Menschen. Und dann eben das, was einer der Jesuitenpatres ganz schön auf den Punkt gebracht hat: "Mit unseren prozentual gesehen so wenigen Gläubigen sind wir wirklich eine Mini-Kirche. Andererseits sind wir keine Mini-Kirche, weil wir hier Weltkirche leben."

Das Interview führte Tobias Fricke.

Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken

Das Bonifatiuswerk wurde 1849 in Regensburg bei der dritten Generalversammlung der Katholischen Vereine Deutschlands – einem Vorläufer der heutigen Katholikentage – als „Bonifacius-Verein für die kirchliche Mission in Deutschland“ gegründet. Namensgeber ist der als Apostel der Deutschen geltende heilige Bonifatius (672/675-754).

Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken (KNA)
Bonifatiuswerk / © Andreas Kühlken ( KNA )
Quelle:
DR

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