Katholische Bischöfe zur Flüchtlingspolitik

Den Fremden nicht als Gegner sehen

Katholische Bischöfe haben sich am Mittwoch gegen Obergrenzen für Flüchtlinge ausgesprochen. Hamburgs Erzbischof Heße warb für eine gemeinsame europäische Lösung. Der Mainzer Kardinal Lehmann forderte mehr Nächstenliebe.

 (DR)

Bereits im Alten Testament der Bibel werde betont, dass man den Fremden nicht unterdrücken dürfe, sondern ihn lieben solle "wie sich selbst", heißt es in Lehmanns Predigt. Sie wurde am Mittwochmorgen in einem Gottesdienst zur Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Kloster Schöntal verlesen - vom Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer. Der Kardinal ist aus gesundheitlichen Gründen in Mainz geblieben und nimmt an dem viertägigen Treffen nicht teil.

Die Flüchtlingspolitik steht im Mittelpunkt der Vollversammlung. Für diesen Mittwoch ist ein Studientag zum Thema Flucht und Migration angesetzt. Erwartet werden dazu neben anderen der Hamburger Oberbürgermeister Olaf Scholz (SPD), Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der italienische Kardinal Francesco Montenegro, der für die "Flüchtlingsinsel" Lampedusa zuständig ist. In der politischen Debatte unterstützen die beiden großen Kirchen bisher im Grundsatz den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

"Kopernikanische Wendung in der Kulturgeschichte"

Lehmann würdigte "die ungeheure Bedeutung" der Aussagen aus dem Alten Testament, gerade weil sie in der damaligen Umwelt ohne Parallelen seien. Pater Langendörfer sprach in Vertretung Lehmanns von einer "geradezu kopernikanischen Wendung" in der Kulturgeschichte und einem "unaufgebbaren ethisch-religiösen Erbe". Dieses dürfe man "ohne Selbstzerstörung nicht preisgeben". Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick stand dem Gottesdienst vor.

In vielen Kulturen der Menschheit fänden sich Verhaltensmuster, bei denen der Fremde sehr leicht zum Gegner werde, heißt es im Predigttext: "Die Abneigung und Angst kann bis zum Willen gesteigert werden, den Fremden als Feind zu vernichten." Dieses Muster sei "äußerst wirksam, wenn Hass geschürt wird und die Triebe durchbrennen".

Europäische Lösung statt Obergrenze

Der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Hamburgs Erzbischof Stefan Heße, sprach sich mit Blick auf die Flüchtlingskrise erneut gegen Obergrenzen und für gemeinsame europäische Lösungen aus. "Eine fixe Zahl festzuschreiben, löst das Problem nicht", sagte Heße am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Auch Mauern und Grenzzäune seien keine Lösung.

Stattdessen müsse Europa gemeinsam handeln, um die derzeitige "Wanderbewegung" bewältigen zu können. Auch die katholische Kirche in Europa dürfe sich "nicht auseinanderdividieren lassen", sondern müsse zusammenarbeiten, damit auch in anderen europäischen Ländern "die Türen weiter aufgemacht" und mehr Flüchtlinge aufgenommen würden.

"Furcht vor Fremdheit abbauen"

Eine der größten Herausforderungen in Deutschland sei derzeit das Thema Wohnraumbeschaffung, so Heße. "Guter Wohnraum, gute Lebensbedingungen sind die Grundlage für ein gutes Miteinander und für Integration", betonte er. Darüber hinaus seien weitere konkrete Maßnahmen notwendig, etwa in den Bereichen Bildung und Arbeit.

Mit Blick auf rechtsextreme Tendenzen und Bewegungen wie Pegida betonte der Flüchtlingsbeauftragte der Bischöfe, man dürfe die Sorgen der Menschen nicht kleinreden, sondern müsse sie ernst nehmen und klug damit umgehen. Notwendig sei ein verstärkter Dialog, um die Furcht vor Fremdheit und anderen Kulturen abzubauen und Blockaden zu überwinden.

"Spannungen aushalten"

Die Bischöfe wollen in Schöntal unter anderem ein "Leitbild der katholischen Flüchtlingsarbeit" verabschieden. Hier sei man sich hinsichtlich der Grundlinien bereits einig, so Heße. Konsens herrsche etwa darüber, dass die Kirche zwar einen Fokus auf Christen legen, sich jedoch um alle Flüchtlinge kümmern und auch Benachteiligte in der deutschen Gesellschaft nicht übergehen wolle.

Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sprach sich gegen Flüchtlingsobergrenzen aus. Die wichtigste Strategie sei, "zum Frieden in den Herkunftsländern beizutragen", sagte Burger der "Badischen Zeitung". "Wenn es darum geht, sich bedürftigen Menschen zuzuwenden, ist das Evangelium auch eine radikale Botschaft", fügte er hinzu. Daraus entstehende Spannungen mit der Politik müssten Christen aushalten.

"Teil der deutschen Leitkultur"

Der Präsident des deutschen Caritasverbands, Peter Neher, sagte dem Radiosender SWR 2, es müsse deutlich werden, dass ein menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen zur deutschen Leitkultur gehört. Einem Wettbewerb "des immer ekelhafteren Umgangs mit Flüchtlingen" sollten sich Deutsche und Europäer verweigern, verlangte der Caritas-Präsident.

Zum Auftakt der viertägigen Vollversammlung hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Montag dazu aufgerufen, im Umgang mit Flüchtlingen an humanitären Prinzipien festzuhalten. Dazu gehöre, dass kein Flüchtling, der europäischen oder deutschen Boden betritt, unwürdig behandelt oder in Gewalt, Verfolgung oder Krieg zurückgeschickt werden dürfe, sagte Marx.


Quelle:
KNA