Katholische Beratungsdienste stehen vor großen Herausforderungen

"Es wird viel erwartet"

Die Angebote reichen von der klassischen Telefonseelsorge bis hin zu Hilfen für Migranten oder der Schuldnerberatung. Seit 2001 sind diese Dienste im Bundesforum Katholische Beratung zusammengeschlossen. Die von der Bischofskonferenz und dem Caritasverband initiierte Plattform soll der Interessenvertretung dienen und den fachlichen Austausch zwischen den Beratern fördern.

Autor/in:
Joachim Heinz
Seit 2009 hat die Caritas bundesweit ein Beratungsnetzwerk im Netz geknüpft (DR)
Seit 2009 hat die Caritas bundesweit ein Beratungsnetzwerk im Netz geknüpft / ( DR )

Zum Schluss war es nicht mehr auszuhalten. Die ständige Schlaflosigkeit, die Vorwürfe ihres Mannes und die Sorge um ihre Familie hatten aus Frau L. ein Wrack gemacht. Seit dem Selbstmord ihres Vaters kam sie aus dem Teufelskreis von Selbstanklagen und Trauer nicht mehr heraus. Der Gang in das Büro der Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Bistums Münster erschien ihr wie der letzte Ausweg. Kein Einzelfall, wie der Leiter der Einrichtung, Norbert Wilbertz, betont. Wenn das Familienleben aus den Fugen gerät, "dann macht das die Menschen krank". Wilbertz ist einer der vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Beratungsdiensten der katholischen Kirche in Deutschland.



Angesichts eines rasanten gesellschaftlichen Wandels eine zunehmend wichtige Aufgabe - nicht nur für die kirchlichen Träger, wie der Koblenzer Sozialwissenschaftler Stefan Sell betont. Einerseits, so Sell, steigt der Bedarf an Beratung immer weiter an, die Konkurrenz durch freie Anbieter nimmt gleichzeitig zu. Andererseits halten die finanziellen und personellen Ressourcen mit dieser Entwicklung schon lange nicht mehr Schritt. So sei bundesweit die Zahl der Erziehungsberatungen zwischen 1993 und 2006 um rund 57 Prozent gestiegen. Zugleich stagnierte die Zahl der Beratungsstellen und der dort beschäftigten festen Mitarbeiter.



Bündelung von Ressourcen

Auch die kirchlichen Anbieter müssen angesichts knapper Mittel und wachsender Ansprüche scharf kalkulieren. "Qualitative Verbesserungen werden künftig in hohem Maße mit der Bündelung von Ressourcen verbunden sein." Mit dieser Parole versucht der Vorsitzende des Bundesforums, Caritas-Präsident Peter Neher, einen Ausweg aus dem Dilemma zu weisen. Wohl wissend, dass derzeit auf den kirchlichen Anbietern noch eine zusätzliche Herausforderung lastet. Der Missbrauchsskandal und der daraus resultierende Vertrauensverlust dürften die "starken Seiten" der Kirche nicht verdecken, mahnt Neher. Und: Gerade die Berater könnten dank ihrer beruflichen Expertise im Umgang mit Krisen "einiges für eine gelingende Zukunft unserer ganzen Kirche beitragen".



Doch: Können Träger und Berater das alles leisten? Sie müssen es sogar, findet Wilbertz. "Die Kirche hat den Auftrag, antizyklisch vorzugehen", sagt der 64-jährige Theologe und Therapeut. Deswegen dürfe sie sich auch durch aktuelle Schwierigkeiten oder den Vorwurf, ewig-gestrige Positionen zu vertreten, nicht einschüchtern lassen. Die Arbeit der Berater betreffe schließlich Kernbereiche der Gesellschaft. So hätten zerrüttete Beziehungen nicht nur unmittelbare Folgen für die direkt Betroffenen, sondern seien beispielsweise auch für steigende Kosten im Gesundheitswesen oder ein höheres Armutsrisiko für die aus diesen Beziehungen hervorgegangenen Kinder mit verantwortlich.



"Die Beratung boomt"

Dass sich durch die Missbrauchskrise an der Akzeptanz der katholischen Beratungsstellen etwas geändert hätte, sieht Wilbertz nicht. "Die Beratung boomt", sagt er, gerade weil die Kirche für Grundhaltungen und Werte stehe, die weiterhin gefragt seien. "Wenn ich die Wahl hätte, ein neutrales Schild an unsere Beratungsstelle anzubringen oder es beim Hinweis auf den katholischen Charakter zu belassen, würde ich immer letzteres wählen", lautet sein Fazit.

Oder, wie es der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, sagt:  "Von der Kirche wird immer noch viel erwartet."