Katholikentag warnt vor Kluft zwischen Arm und Reich

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Prominente Vertreter aus Politik und Kirche haben beim Katholikentag in Osnabrück vor einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich gewarnt. Zugleich riefen sie zu mehr gesellschaftlichem Engagement auf. Forumsthemen waren auch der Streit um die Karfreitagsfürbitte und die nach Medienberichten entfachte Debatte über den Exorzismus.

 (DR)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die Stimmung auf dem Katholikentag. Sie freue sich, dass dort alle Generationen vertreten seien. Bei einer Diskussion zum Klimaschutz appellierte sie an die Verantwortung jedes Einzelnen. Forderungen nach einseitigen Verpflichtungen für die Industriestaaten wies Merkel zurück.

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck verurteilte die Spekulation mit Nahrungsmitteln als «elendste Form der Todsünde». Es sei ein schweres Vergehen, wenn Menschen auf Milliardengewinne spekulierten und so vom weltweiten Hunger profitierten, sagte Beck auf einem Empfang seiner Partei.

Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch warnte vor einer sozialen Spaltung in Deutschland. «Ich spüre, dass die Gesellschaft auseinanderzudriften droht», betonte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Es sei Aufgabe der Kirche, der Politik ins Gewissen zu reden, «auch wenn das manchmal kontroverse Debatten» gebe.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) lobte eine Trendwende in Sachen Familienpolitik. Nachdem es die klassische Großfamilie nur noch selten gebe, brauchten Familien beispielsweise Kindertagesstätten, und Mehrgenerationenhäuser. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) beklagte Egoismus und Interesselosigkeit bei vielen Menschen in Deutschland. Sie kümmerten sich um alles Mögliche, aber nicht um die Gesellschaft und das Gemeinwohl.

Kritische Töne gab es ebenfalls bei einer Diskussion über die neuformulierte Karfreitagsfürbitte im alten Messritus. Jüdische und christliche Theologen sprachen von einer «Lehre der Verachtung», die sich auch in der überarbeiteten Fassung des Textes von 1962 widerspiegele. Der Optimismus in den jüdisch-christlichen Beziehungen sei einer Ernüchterung gewichen.

Der Streit um die Fürbitte hatte bereits im Vorfeld des Katholikentages die Beziehungen beider Religionen belastet. Mehrere jüdische Vertreter sagten ihre Teilnahme an dem Osnabrücker Treffen ab. Hintergrund ist die Aufwertung des vorkonziliaren Messritus durch Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr.

Bei einer Veranstaltung zum Thema Exorzismus wiesen mehrere Theologen Medienberichte über den angeblich häufigen Einsatz exorzistischer Praktiken in Deutschland zurück. Der Frankfurter Theologe Lutz Lemhöfer kritisierte zwar den Exorzismus in der katholischen Kirche.
Zugleich betonte er aber, dass diese Praktiken in Deutschland sehr zurückhaltend eingesetzt würden und es strenge Richtlinien gebe. Nach Ansicht des Saarbrücker Theologen Martin Birkenhauer kann der Exorzismus positive Wirkungen haben. Wer das Gebet spreche, müsse «kein Superguru» sein.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte zuvor begrüßt, dass das Thema in Osnabrück zur Sprache kam. Es sei «sehr gut und richtig», dazu ein kompetent besetztes Streitgespräch anzubieten, sagte ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper vor Journalisten.
Allerdings stelle die Thematik innerhalb der katholischen Kirche ein «absolutes Randphänomen» dar, bei dem auch Bischöfen «die Haare zu Berge» stünden.

Den Auftakt hatte am Vormittag ein Fronleichnamsgottesdienst gebildet, an dem auch Merkel und Beck teilnahmen. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode rief vor rund 15.000 Menschen zu einem stärkeren Miteinander der Kirchen auf. Christen sollten nicht vergessen, dass sie durch Taufe und Glauben geeint seien.