Karlsruhe verhandelt über NRW-Gesetz zur Kommunikationsüberwachung

"Online-Durchsuchung"

Für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist es ein unverzichtbares Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Andererseits ist die "Online-Durchsuchung" schon auf den ersten Blick ein Fahndungsinstrument, das stark in die Privatsphäre von Bürgern eingreift. Wenn staatliche Sicherheitsbehörden über das Internet Heimcomputer ausspähen und heimlich nach gespeicherten Daten durchsuchen, ist der Konflikt programmiert. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befasst sich am Mittwoch erstmals mit der umstrittenen Thematik.

 (DR)

Konkret verhandelt der Erste Senat über mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen. Nach der Neuregelung vom 30. Dezember 2006 darf der Landes-Verfassungsschutz im Kampf gegen den Terrorismus über das Internet heimlich auf private Computer zugreifen. Diese Maßnahme wird in Paragraph 5 des Gesetzes - ziemlich verklausuliert - so umschrieben: "Heimliches Beobachten und sonstiges Aufklären des Internets, wie insbesondere die verdeckte Teilnahme an seinen Kommunikationseinrichtungen beziehungsweise die Suche nach ihnen, sowie der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme auch mit Einsatz technischer Mittel."

Zwar hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im Februar in einem speziellen Fall eine von der Bundesanwaltschaft gewünschte verdeckte Online-Durchsuchung gegen einen Terror-Verdächtigen untersagt. Damit wurden aber solche Fahndungsmethoden nicht ein für alle Mal verboten. Nur solange es an der erforderlichen Rechtsgrundlage fehle, sei eine Online-Durchsuchung unzulässig, entschied der BGH. Denn nach der geltenden Strafprozessordnung müsse eine Durchsuchung "offen" stattfinden.

Verstoß gegen Grundrechte?
Ob die in NRW geltende Rechtsgrundlage ausreicht, gilt als fraglich. In Karlsruhe wird der frühere Bundesinnenminister und derzeitige Rechtsanwalt Gerhart Baum (FDP) die Kläger vertreten, unter denen sich zwei weitere Anwälte, ein Mitglied der Linken und eine Journalistin befinden. Sie rügen, dass die Online-Durchsuchung gegen das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung verstößt. Viele vertrauliche Informationen, die früher in der Wohnung aufbewahrt wurden und damit in deren Schutzbereich fielen, seien heute auf dem heimischen Computer gespeichert.

Darüber hinaus seien das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Fernmeldegeheimnis, das Gebot der Normenklarheit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Baum befürchtet, dass das Instrument der Online-Durchsuchung nicht nur für wenige Ausnahmefälle angewendet würde, sondern "ausufert".

"Kernbereich privater Lebensgestaltung"
Das Verfassungsgericht wird nach den Worten seines Präsidenten Hans-Jürgen Papier erörtern, "mit welcher Intensität" die einzelnen Grundrechte betroffen sein könnten. Es spiele zudem die Frage eine Rolle, inwieweit der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" tangiert werde. Das Gericht hatte 2004 im Urteil über den "Großen Lauschangriff" auf Wohnungen entschieden, dass es die Menschenwürde des Überwachten gebiete, diesem nicht bis in sein Intimleben hinein nachzustellen.

Bundesregierung und Sicherheitsbehörden erhoffen sich nun deutliche Signale für eine eigene gesetzliche Regelung zur Online-Durchsuchung. Wer allerdings auf ein schnelles Urteil hofft, dürfte enttäuscht werden. Gerichtsintern wird frühestens für Januar 2008 mit dem Richterspruch gerechnet.

Im Koalitionsstreit will die SPD das Urteil abwarten und diesen Aspekt im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zum Bundeskriminalamt (BKA) zunächst ausklammern. Die Union drängt hingegen zur Eile. Zu der Karlsruher Verhandlung sind allerdings keine Minister angekündigt. Erwartet werden für die Bundesregierung Innenstaatssekretär August Hanning und Justizstaatssekretär Lutz Diwell. Zudem sind die Präsidenten von BKA und Bundesamt für Verfassungsschutz, Jörg Ziercke und Heinz Fromm, geladen - außerdem fünf Computerexperten als Sachverständige.