Kardinal Zen zur Religionspolitik Chinas

„Die Bischöfe werden wie Sklaven gehalten“

Auch dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Brief von Papst Benedikt XVI. an die chinesischen Katholiken sieht Kardinal Joseph Zen Ze-kiun aus Hongkong keine deutliche Verbesserung im Verhältnis von Kirche und Staat in seinem Land. Eine scharfe Kritik an der Religionspolitik Pekings.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

KNA: Herr Kardinal, der chinesische Bischof von Macao, Jose Lai Hung-seng, wünscht sich, der Papst möge die Volksrepublik besuchen, am besten schon 2011. Ist die Zeit reif für eine solche Reise?

Zen: Dazu müsste der chinesische Staat erst die katholische Kirche so anerkennen, wie sie ist.



KNA: Wie steht es um die Religionsfreiheit, die 1982 immerhin in die chinesische Verfassung aufgenommen wurde?

Zen: Tatsächlich sind die Kirchen, Moscheen und Pagoden offen zum Gebet. Ich fürchte aber, die chinesische Regierung versteht unter Religionsfreiheit nur die Freiheit zur Ausübung des Kultes. Aber das reicht nicht aus. Nach internationalem Sprachgebrauch gehört auch das Recht dazu, dass sich eine Religionsgemeinschaft in Freiheit nach ihren Prinzipien organisieren kann. Für die katholische Kirche heißt das, dass der Papst das Recht haben muss, die Bischöfe in aller Freiheit zu ernennen.



KNA: Inzwischen soll die große Mehrheit der illegitim geweihten chinesischen Bischöfe vom Heiligen Stuhl anerkannt sein.

Zen: Rom war sehr großzügig bei der Anerkennung. Das heißt aber nicht, dass Peking inzwischen die Bischöfe akzeptiert, die der Heilige Vater möchte, wie manche Beobachter meinen. Die kommunistische Partei ist nach wie vor sehr misstrauisch und bestrebt, Kandidaten nach ihren Wünschen durchzusetzen. Viele nachträglich anerkannte Bischöfe standen in ihrem Herzen immer loyal zum Papst. Aber jetzt wird von ihnen auch erwartet, dass sie sich für eine Normalisierung der Situation einsetzen. Dem widerspricht, dass sich einige weiterhin zum Ziel einer unabhängigen Kirche bekennen.



KNA: Was sollen die Bischöfe tun?

Zen: Sie sollten nicht mit illegitim geweihten Bischöfen zusammen am Altar stehen, nicht an illegitimen Weihen teilnehmen und auch nicht an illegitimen Versammlungen.



KNA: Ist die diplomatische China-Offensive des Papstes gescheitert?

Zen: Man sollte eher von einer Einladung zum Dialog sprechen, die bisher aber noch nicht angenommen wurde. Die Zeit dafür wäre reif, aber ich vermute, zu viele Leute in der Patriotischen Vereinigung sind am Status quo interessiert, weil sie im Laufe der Jahre sehr viele Privilegien für sich in Anspruch genommen haben, die sie jetzt nicht verlieren wollen. Sie sind die eigentlichen Hindernisse für eine Normalisierung der Beziehungen.



KNA: Das heißt, die Patriotische Vereinigung ist kein geeigneter Dialog-Partner?

Zen: Oh nein, denn diese Vereinigung ist ein Fake. Sie gibt nur vor, die katholische Kirche in China zu vertreten. Partner des Dialogs sollten der Heilige Stuhl und die chinesische Regierung sein. Diese verlangt bisher von der Untergrundkirche den Beitritt zur Patriotischen Vereinigung. Diese Bedingung ist nicht akzeptabel und liegt auch nicht in der Intention des Papstes.



KNA: Hat die katholische Kirche seit dem im Juni 2007 veröffentlichten Papst-Brief Handlungsspielraum gewonnen?

Zen: Ich sehe keine deutliche Verbesserung.



KNA: Wie ernst ist es der kommunistischen Partei mit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zum Vatikan?

Zen: Im Moment erkenne ich keine deutlichen Anzeichen für ein aufrichtiges Interesse. Die Partei will die Kontrolle behalten. Die Bischöfe werden manipuliert, wie Sklaven gehalten.



KNA: Wie äußert sich das?

Zen: Wenn sie sich treffen, dann nur, um Anweisungen der Regierung entgegenzunehmen. Wenn sie zum Essen mit Anthony Liu Bainian, dem Vizepräsidenten der Patriotischen Vereinigung, eingeladen sind, dann ist er der einzige, der spricht. Bischof Zong Huaide, seinerzeit Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Patriotischen Vereinigung und Rektor des Nationalen Priesterseminars, konnte zum Beispiel von seinem eigenen Büro aus keine Ferngespräche führen, sondern nur vom Büro von Herrn Liu Bainian aus. Die Bischöfe müssen Reden verlesen, die man ihnen in die Hand drückt, die sie nicht geschrieben haben, ja, auf die sie nicht einmal vorher einen Blick werfen können. Es ist demütigend.



Das Gespräch führte Christoph Renzikowski.