Kardinal Woelki ruft zu Umdenken bei Gesellschaftsfragen auf

"Jetzt werden wir wach"

"Man möge endlich aufhören mit der Diskussion um Obergrenzen bei Flüchtlingen", sagt Kardinal Woelki auf dem Maternusempfang in Köln als Antwort auf das CSU-Papier. Stattdessen sollten Ängste abgebaut werden.

Autor/in:
Johannes Schröer
Kardinal Woelki (DR)
Kardinal Woelki / ( DR )

Der Kölner Kardinal Erzbischof Rainer Maria Woelki hat auf dem Maternusempfang deutlich politisch Stellung bezogen. So bezeichnete er das Wahlergebnis in Mecklenburg Vorpommern mit den starken Zugewinnen der AFD wörtlich als "Katastrophe". "Ich möchte nicht, dass das, was sich in der Weimarer Republik vollzogen hat, bei uns Einzug hält", sagte er und warnte damit vor rechtsradikalen Stimmungsmachern. Stattdessen müssten Ängste abgebaut werden. Dies geschehe dort, wo Menschen einander begegnen können, wo sie sich gegenseitig kennen lernen können. "Das Lachen der Kinder ist dasselbe - in Deutschland, in Afghanistan oder in Syrien lachen Kinder nicht anders." Es sei deeskalierend, wenn man sich gegenseitig kennen lerne und sich als eine Bereicherung erfahre.

"Man möge endlich aufhören mit der Diskussion um Obergrenzen", forderte er weiter. Entscheidend sei eine verantwortbare Entwicklungspolitik und ein Abrüsten des Rüstungshaushalts. "Wir haben auf Kosten der anderen gelebt und die Folgen holen uns jetzt ein", sagte er, "wir wollten unter einer schönen heilen Käseglocke leben und haben die globalen Entwicklungen ignoriert – jetzt werden wir wach."

Mehr in Bildung investieren

Kardinal Woelki diskutierte auf dem Maternusempfang mit Vertretern aus Kirche und Welt unter dem Motto „Eine Gesellschaft im Reformmodus – Perspektiven für die Zukunft“. Dabei beklagte er die zunehmende Spaltung der Gesellschaft: "Zehn Prozent der Haushalte in Deutschland verfüge über 60 Prozent des Vermögens", sagte er und leitete daraus ab, dass sich die Gesellschaft entsolidarisiere. Er forderte mehr Investitionen "in Bildung, in Teilhabe, in Partizipation". Kirche müsse dabei auch offen in die Auseinandersetzung gehen.

"Wir haben in den vergangenen Jahren das Teilen verlernt", sagte Woelki domradio.de. "Wir haben begonnen in einer Gesellschaft zu leben, die sich ein stückweit entsolidarisiert" Vor allem stehen jetzt die Eigeninteressen im Vordergrund. Das werde durch eine politische, populistisch angelegte Diskussion befeuert. "Da haben wir Christen eine wichtige Aufgabe zur Korrektur, deutlich zu machen, dass Teilen befreit und Teilen froh und glücklich macht, weil andere dadaurch auch leben können."

Gegen Zäune

"Wir haben eine anwaltschaftliche Verantwortung, wenn wir dem Evangelium folgen", sagte er weiter. Der Kardinal sprach sich gegen Zäune in Nordafrika aus und gegen Mauern um Europa. "Jeder von uns würde sich unter solchen Bedingungen auf den Weg machen". Wahnsinnig dankbar sei er über das, was in den Gemeinden für Flüchtlinge geleistet wird, lobte der Kölner Kardinal das Engagement vieler Christen.

Auszeichnung für Flüchtlingsprojekt

Beispielhaft für diesen Einsatz wurde auf dem Maternusempfang die katholische Bücherei Sankt Martin in Rheinbach mit dem Anton Roesen Preis für das Projekt "Durch Lesen deutsch lernen" ausgezeichnet. Flüchtlingsfamilien wird hier mit eigens entwickelten Spielen und Medienboxen geholfen, die deutsche Sprache zu lernen. Bestückt mit wesentlichen Büchern, Spielen und Piktogramm-Karten, kommen die Boxen in Integrationsklassen, Kindergärten oder bei den ehrenamtlichen Vorlesepatinnen und –paten zum Einsatz. Zudem unterstützen die sorgfältig ausgesuchten Medien die Hausaufgabenbetreuung der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer im Ort. Das Projekt wurde durch die "Aktion Neue Nachbarn“ – Die Flüchtlingshilfe im Erzbistum gefördert.

Preisträger war auch die "Gesprächswerkstatt" der Pfarrgemeinde Kaarst/Büttgen. Ihr Projekt, ein besonders offenes Forum für die Gemeinde zu schaffen, wurde ebenfalls mit dem Anton Roesen Preis geehrt. Die zwei Mal im Jahr stattfindende "Gesprächswerkstatt" das Ziel, in Form von Vorträgen und konstruktiven Diskussionen einen Austausch zu finden.


Erzbischof Woelki (DR)
Erzbischof Woelki / ( DR )
Quelle:
DR