Kardinal Woelki im Interview

"Der Papst steht für Transparenz und Eindeutigkeit"

Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki (55) hat am Wochenende das Pallium als Zeichen seiner Metropolitanwürde empfangen und anschließend seine römische Titelkirche in Besitz genommen. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert er sich zu seinen neuen Aufgaben sowie generell zu Vorgängen in Rom.

Rom: Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Berlin, in der ihm vom Papst verliehenen Titelkirche San Giovanni Maria Vianney (KNA)
Rom: Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Berlin, in der ihm vom Papst verliehenen Titelkirche San Giovanni Maria Vianney / ( KNA )

KNA: Herr Kardinal, Sie haben in Rom das Pallium als Metropolit der Kirchenprovinz Berlin in Empfang genommen. Was bedeutet das?

Woelki: Es ist für mich ein weiteres wichtiges Zeichen der Verbundenheit mit dem Heiligen Stuhl, mit der Weltkirche. Bei der Zeremonie im Petersdom wurde mir deutlich, dass das Bischofskollegium nur in der Einheit mit dem Heiligen Vater besteht.

Das Pallium ist für mich Ausdruck dieser Einheit und der mir übertragenen Mitsorge, diese Einheit in meinem Verantwortungsbereich zu wahren und zu fördern.



KNA: Durch die Inbesitznahme ihrer Titelkirche sind Sie nun auch "Pfarrer" in Rom. Wie wird die Beziehung zu ihrer Gemeinde aussehen? Haben Sie konkrete Pläne?

Woelki: Ich habe jetzt zum ersten Mal den Pfarrer und die Gemeinde kennengelernt. Meine Familie und die Berliner wurden sehr herzlich empfangen. Wir haben gemeinsam Gottesdienst gefeiert. Durch den Patron der Pfarrei, den Heiligen Pfarrer von Ars, den ich auch sehr verehre, haben wir Gemeinsamkeiten entdeckt. Ich hoffe, dass sich das gute Miteinander fortsetzt und dass mit der Zeit eine gute Beziehung und Partnerschaft wachsen kann. Über Einzelheiten werden wir uns verständigen.



KNA: Sie sind in zwei höchst unterschiedlichen Weltstädten verankert. In Berlin leben zehn Prozent Katholiken, in Rom zehn Prozent Nicht-Katholiken. Wie empfinden Sie diesen Gegensatz?

Woelki: Ich sehe da keinen so starken Gegensatz. In Rom wie in Berlin muss es für uns darum gehen, Christus ins Wort zu bringen. Das kann bei 90 Prozent Katholiken genauso herausfordernd und anstrengend sein wie bei 10 Prozent. Die große Aufgabe ist, dass wir - in Italien wie in Deutschland - in die Fußstapfen Jesu treten, dass wir ihn und sein Evangelium einem jeden Menschen als die große Alternative anzubieten haben.



Ich habe gehört, dass sich in der Pfarrei meiner Titelkirche größere Gruppen von Migranten aus Osteuropa angesiedelt haben und dass es eine Reihe von sozialen Problemen gibt. Das ist eine Wirklichkeit, die wir ja auch ganz ähnlich in Berlin haben.



KNA: Welche Erwartungen haben Sie als Oberhirte einer Großstadtdiözese an die bevorstehende Bischofssynode zum Thema Neuevangelisierung?

Woelki: Ich finde es wichtig, dass sich die Synode dieser Thematik stellt. Benedikt XVI. wie auch sein Vorgänger Johannes Paul II. haben immer wieder den Beginn einer Neuevangelisierung angemahnt. Es muss darum gehen, dass wir uns auf das Essentials verständigen, die wir in eine säkulare Gesellschaft transportieren müssen. Wir müssen überlegen, wie wir mit Menschen, die den Glauben verloren haben, wieder ins Gespräch kommen können. Das Christentum hatte in der Vergangenheit die große Chance, auf Menschen zu treffen, die einer Religion angehörten und in dieser Religion lebten. Heute ist es zumindest bei uns in Berlin so, dass viele in keinem Glauben und ohne Religion aufgewachsen sind. Wir müssen lernen, eine Sprache zu finden, um auf diese Menschen zuzugehen. Wenn die Synode dazu beiträgt, wäre das ein großer Gewinn.



KNA: Als Kardinal gehören Sie nun zu den engen Beratern des Papstes. Welche Rolle wollen Sie hier spielen?

Woelki: Ich bin jetzt Mitglied in zwei vatikanischen Behörden geworden, der Bildungskongregation und dem Ökumenerat. Damit hat der Heilige Vater mir zwei Arbeitsbereiche vorgegeben. Zudem lädt er, wann immer er es für richtig hält, das Kardinalskollegium ein, um bestimmte Fragen zu diskutieren, die ihn bewegen. In der Weise werde ich versuchen, auch meinen Beitrag einzubringen.



KNA: Die Lage im Vatikan ist zurzeit angespannt. Für die öffentliche Wahrnehmung befindet er sich in einer Krise. Wie kann und muss er hier herauskommen?

Woelki: Das kann ich nicht sagen; ich lebe nicht in Rom. Und die Tage meines jetzigen Aufenthaltes habe ich nicht so sehr als Krise erlebt. Der Papst selbst hat klar benannt, wo Schwerpunkte zu setzen sind oder wie bestimmte Vorfälle aufgearbeitet werden müssen. Das ist ein ungeheures Zeichen der Stärke. Für mich steht der Papst in jeglicher Beziehung für Transparenz und Eindeutigkeit. Und ich bin überzeugt, dass das, was derzeit als Schwierigkeit empfunden wird, von ihm zu einer guten Lösung geführt wird.



Das Interview führte Johannes Schidelko.