Kardinal Meisner wendet sich an Aschermittwoch an die Künstler

"Leistungsprinzip birgt Gefahren"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner sieht Gefahren im Leistungsprinzip und im Wettbewerbsstreben der modernen Gesellschaft. "Der Mensch erlebt und erfährt sich nicht zuerst als Kreatur, sondern als Produzent", warnte der Erzbischof bei einem Gottesdienst zum Aschermittwoch der Künstler in Köln. "Wer in diesem Verhaltens- und Denkschema aufwächst, sieht ringsherum nur Aufgaben." Für Gott, die Schöpfung und die Mitmenschen fehle dagegen der Blick.

St. Kunibert in Köln: Aschermittwoch der Künstler / © Boecker
St. Kunibert in Köln: Aschermittwoch der Künstler / © Boecker

Der Kardinal rief zu Beginn der Fastenzeit dazu auf, sich Zeit für Stille zu nehmen. Er wandte sich gegen die Haltung, "dass man alles auch noch mitnehmen und auskosten will, was einer orientierungslos irdischen Welt als erstrebenswert gilt". Während des Gottesdienstes in der Innenstadtkirche St. Kunibert teilten der Kardinal und weitere Geistliche das traditionelle Aschenkreuz aus. Im Anschluss waren die Kulturschaffenden aus den Bereichen Bildende Kunst, Theater, Film und Literatur zu einem Empfang geladen. Der Titel des Festvortrags von Literaturwissenschaftler Wolfgang Frühwald lautete "Hiob und das Bild der Frommen in der Literatur der Gegenwart".



Meisner beklagte in dem Gottesdienst auch eine "zunehmende Unfähigkeit zu tiefer und dauernder Freude" unter Christen. Dies liege an der Neigung, in der eigenen Umwelt mehr das Ungute statt das Gute zu sehen. Zwar gebe es berechtigte Kritik. Doch wenn Kritik "das Durchgängige unserer Gespräche bildet", wenn Alt gegen Jung, Gruppen gegen Gruppen argumentierten, dann stimme dies nicht mehr mit dem Christentum überein.



Marx: Christen sollen authentische Zeugen des Evangeliums sein

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die Christen aufgerufen, authentische Zeugen des Evangeliums zu sein. Die Menschen sollten trotz aller Grenzen nach der Wahrheit suchen und diese zulassen, sagte Marx beim traditionellen "Aschermittwoch der Künstler" im Münchner Liebfrauendom. Literatur und Kunst könnten beim Entdecken helfen. Allerdings müsse man sich im Klaren darüber sein, dass die Wahrheit vielschichtig sei und es verschiedene Blickwinkel gebe.



In Würzburg betonte Bischof Friedhelm Hofmann die Kraft der Musik. Sie sei in der Lage, den Menschen in der Seele zu treffen. Musik übersteige rational logisch erfassbare Wirklichkeit in das Geheimnis Gottes hinein. Sie künde letztlich von ihm und schenke eine Ahnung von Ewigkeit, so Hofmann.



Schick: Kritischer Blick hätte Politik Desaster um E10 erspart

Ein kritischer Blick auf das eigene Tun hätte der Politik nach den Worten des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick das "Desaster" beim Biosprit E10 erspart. "Vor allem stellt sich doch die Frage, warum fand ein Gipfel, wie er gestern abgehalten wurde, nicht vor einem oder vor zwei Jahren statt?", sagte Schick beim "Aschermittwoch der Künstler" in Nürnberg. Als weiteres Beispiel nannte er die Diskussion um die Hartz-IV-Regelsätze. Hätten die Verantwortlichen rechtzeitig alle Aspekte gesehen und abgewogen, hätte es "dieses ganze Gezerre" zu Lasten der Leistungsempfänger nicht gegeben, so Schick.



Gerade die beginnende Fastenzeit biete die Möglichkeit, wieder genauer die eigenen Stärken und Schwächen sowie die Talente und Defizite der anderen zu beleuchten, erklärte Schick weiter. "Nur wenn man richtig hinsieht, nimmt man den Nächsten wahr, wie er ist, und kann mit ihm umgehen, mit ihm leben, mit ihm glücklich sein." Dieser klare Blick verhelfe Verantwortlichen in der Gesellschaft zu tragfähigen Entscheidungen. Im Mittelpunkt des "Aschermittwochs der Künstler" stand das Thema Fotografie.



Bischof Fürst: Beschädigtes Leben heilend umpflügen

Zur Erneuerung des Lebens und zur Heilung seelsicher Wunden hat Bischof Gebhard Fürst die Fastenzeit empfohlen. Die österliche Bußzeit biete die Chance, gewissermaßen die eigene Existenz umzupflügen und so den Boden zu bereiten für eine Überwindung von Trauer, Verlusten und seelischem Schmerz, sagte der Bischof beim Gottesdienst zum Aschermittwoch der Künstler in Stuttgart. Die Fastenzeit könne eine Erneuerung des Menschen von innen her bewirken. In Anspielung auf das Zitat des Propheten Joel "Zerreiß nicht euer Kleider, sondern eure Herzen" ermunterte der Bischof zu einer Zeit der inneren Klärung und Stärkung.



Den Künstlern wies Bischof Fürst bei diesem Prozess der existenziellen Aufarbeitung eine helfende Rolle zu. Sie könnten seelische Stimmungen des Menschen sichtbar machen und eine "Bewegung zurück nach innen" erleichtern. Zum traditionellen --
Aschermittwoch der Künstler an der Akademie der Diözese hatte Bischof Gebhard Fürst den Gastrokritiker Wolfram Siebeck eingeladen. Er hielt nach dem von Flötistinnen der Musikhochschule Stuttgart unter der Leitung von Detlef Dörner musikalisch gestalteten Gottesdienst einen Vortrag "Untote Todsünden".



Passauer Bischof: Kunst und Glaube sind Geschwister

Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml hat die Kunst und den Glauben als Geschwister bezeichnet. Große Künstler hätten immer wieder daran erinnert, dass sie mit ihrer sichtbaren Kunst die unsichtbare Welt Gottes berührten, sagte Schraml in seiner Predigt zum "Aschermittwoch der Künstler" in Passau. Mit ihrem Schaffen bauten die Künstler Brücken, über die die Menschen Zugang fänden zur Welt des Glaubens. Der Bischof ermutigte die Kunstschaffenden, in ihren Werken vom Geheimnis Gottes, seiner Liebe und Barmherzigkeit zu sprechen.



Zum gleichzeitigen Beginn der Fastenzeit erinnerte Schraml daran, dass Fasten keine asketische Übung sei, sondern mit Umkehr zu tun habe. Beim Verzicht gehe es darum, frei zu werden für das Wahre und Schöne. - Mit dem Aschermittwoch beginnt die 40-tägige Fastenzeit als Vorbereitung auf Ostern. Bei allen katholischen Gottesdiensten wird der Gläubige mit dem Ritus der Aschenauflegung an die österliche Bußzeit erinnert. Dabei spricht der Priester die Worte aus dem Buch Genesis: "Bedenke Mensch, dass Du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst."



Nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland

In vielen Diözesen laden die Bischöfe an diesem Mittwoch wieder Kulturschaffende zur Begegnung ein. Dabei suchen sie das Gespräch nicht nur mit Künstlern, die religiös gebunden sind oder in kirchlichem Auftrag arbeiten. Für den Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann sind Künstler "Seismographen der Zeit". Durch ihre gestalterischen Möglichkeiten könnten sie die Grenzen der erfahrbaren Wirklichkeit überwinden. Damit verweist der in der Deutschen Bischofskonferenz für Kunst zuständige Hofmann auf die besondere Bedeutung des "Aschermittwochs der Künstler".



Diese Initiative entstand in Frankreich und kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland. Schon Jahrzehnte zuvor gab es in Paris jeweils am Aschermittwoch einen Gottesdienst zum Gedenken an verstorbene Künstler. Nach 1945 wollte dann der katholische Schriftsteller Paul Claudel (1868-1955) mit dem Projekt einen geistlichen Neuanfang für Europa erreichen.



Vor 60 Jahren, 1950, gab es in Köln den ersten deutschen "Aschermittwoch der Künstler". Das war vor allem das Verdienst eines mit Claudel und der französischen Kulturwelt vertrauten Seelsorgers, des Theologen Robert Grosche (1888-1967). Seitdem sind es immer wieder einzelne Priester, die Akzente bei dieser Form der Begegnung setzen: in Köln beispielsweise Friedhelm Mennekes, in Würzburg derzeit Domkapitular Jürgen Lenssen.



Auf Köln folgte 1955 München, im Laufe der Zeit die Mehrzahl der 27 deutschen Bistümer. Zuletzt gab es 2009 in Eichstätt erstmals einen "Aschermittwoch der Künstler". Bischof Fürst spricht unter Verweis auf steigende Teilnehmerzahlen und Erfahrungen im Gespräch von wachsendem Interesse. Das zeigt: Jene Verbindung, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) sowohl der Kirche als auch den Kunstschaffenden vielfach verloren ging, gewinnt wieder an Stabilität.



Prominente Künstler an Bord

Seit einigen Jahren kommen vermehrt auch prominente Kunstschaffende zu Wort. So spricht in diesem Jahr in Berlin der Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele und Intendant des Münchner Volkstheaters, Christian Stückl, beim ökumenischen Empfang der Künstler. In Hildesheim wird der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil beim 25. Aschermittwoch der Künstler des Bistums zu Gast sein. Der Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim liest Teile aus seinem Werk.



Der Regisseur und Intendant der Nibelungen Festspiele in Worms, Dieter Wedel, wird in Mainz mit dem Publizisten Helmut Ahrens über die Festspiele in Worms sprechen. In Würzburg treffen Musik, Film und Sprache aufeinander. Der Musik- und Liturgiewissenschaftler Wolfgang Bretschneider wird einen Vortrag zum Thema "Musik bewegt" halten. Anschließend soll der Stummfilm "Der Galiläer" von Dimitri Buchowetzki gezeigt und gleichzeitig von Domorganist Stefan Schmidt musikalisch interpretiert werden.



In Hamburg setzen sich der Schriftsteller Thomas Meinecke und der Göttinger Literaturwissenschaftler Friedrich Vollhardt mit dem Thema "Katholizismus in der Postmoderne" auseinander. Die Erzdiözese Bamberg zeigt zum Thema "Übergangenes" Fotografien von Manfred Koch.



In Köln spach Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Prof. (em.) für Neuere Deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Ehrenpräsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, zum Thema "Hiob oder das Bild des Frommen in der Literatur der Gegenwart". Es musizierte im Anschluss das Neue Rheinische Streichquartett. Am Abend folgt die Aufführung Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion durch den figuralchor koeln in der Minoritenkirche.






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