Kardinal Meisner kritisiert Familienpolitik der Bundesregierung

"Mentalitätswandel statt Scheckbuchpolitik"

Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner kritisiert die familienpolitischen Pläne der Bundesregierung. Diese "Scheckbuchpolitik" werde an der demographischen Krise nichts ändern, schrieb Meisner in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" laut Vorabbericht. "Alle wichtigen Probleme - so glaubt man - lassen sich mit Geld lösen", monierte der Kardinal.

 (DR)

"Je mehr Krippen, desto mehr Kinder" ist falsch
Der niedrigen Geburtenrate jedoch sei durch finanzielle Mittel nicht beizukommen. Die Gleichung: "Je mehr Krippen, desto mehr Kinder" sei falsch, schrieb Meisner. So sei das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren in keiner Gegend Deutschlands so ausgebaut wie in den Ländern der ehemaligen DDR, doch nirgendwo sei die Geburtenrate so niedrig wie dort. Flexible Arbeitszeiten oder Teilzeitbeschäftigung seien für Paare mit Kinderwunsch wichtiger als Betreuungsplätze.

Meisner forderte einen Mentalitätswandel. Es herrsche die Einstellung vor, Kinder seien eine Last, ein "letzter Luxus, den man sich leistet, wenn alles andere schon erreicht ist". Die derzeitige Familienpolitik unterstütze ungewollt diese Mentalität. Denn insbesondere der Ausbau Betreuung für die unter Dreijährigen suggeriere, Kinder seien zwar nötig für die Gesellschaft, aber eine Last für die Eltern. Bestraft würden de facto die Mütter oder Väter, die auf Einkommen verzichten, um sich zu Hause selbst ihren Kindern zu widmen.

Meisner ermunterte die Deutschen, Kinder wieder als ein Geschenk und Elternschaft als einen Ausdruck von Lebensfreude begreifen. Er finde es schlimm, wenn viele Mütter aus finanziellen Gründen so bald wie möglich nach der Geburt wieder arbeiten müssen. Eltern, insbesondere Müttern, müsse es ermöglicht werden, in den ersten Lebensjahren beim Kind zu bleiben, etwa durch höhere Kinderfreibeträge. "Und wenn dennoch die volle Berufstätigkeit von Vater und Mutter erforderlich sein sollte, dann wäre einer Kinderkrippe die Tagesmutter auf jeden Fall vorzuziehen", schrieb Meisner.