Kardinal Marx vor erstem Treffen der Ethikkommission zur Atomkraft

"Wir sollten noch schneller aussteigen"

Bevor die Ethikkommission zur Kernenergie ihre Arbeit aufnimmt, hat Kardinal Reinhard Marx seine Position als Kommissionsmitglied deutlich gemacht: "Wenn möglich, sollten wir noch schneller aussteigen." Die Menschen dürften sich nicht einer Technologie anvertrauen, die unabschätzbare Folgen für ganze Generationen habe.

 (DR)

Die Atomkraft könne nur eine Brückentechnologie sein, sagte Marx der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Ich hatte nur den Eindruck, dass einige Leute von Brücke sprachen, aber in Wirklichkeit den Brückenkopf für immer halten wollten." Er selbst habe die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke bedauert. Wenngleich ein sofortiger Ausstieg nicht möglich sei, "sollten wir noch schneller aussteigen".



Kultur des Maßhaltens

Marx rief zu einer Veränderung der Lebensstile auf "zugunsten klimaverträglicher und ressourcensparender Wohlstandsmodelle". Es müsse neu darüber nachgedacht werden, was unter Wachstum zu verstehen sei. Der Erzbischof plädierte für eine Kultur des Maßhaltens. "Wenn wir die unkalkulierbaren Risiken der Atomtechnik vielen Unbeteiligten über Generationen hinweg zumuten, dann haben wir das rechte Maß verloren", sagte Marx mit Blick auf das Problem der Endlagerung von atomarem Material. Grundsätzlich gehe es um die Frage, "ob wir immer mehr und noch mehr Energie beanspruchen können".



Zur Frage höherer Strompreise nach einem Atomausstieg sagte Marx, die Energiepreise seien vielleicht tatsächlich zu niedrig gewesen. Allerdings müsse man bei einer Erhöhung der Preise über einen Ausgleich für ärmere Menschen diskutieren.



In der neuen staatlichen Kommission zu den ethischen Fragen der Atomkraft ist die Kirche nach Marx" Worten eine unabhängige Kraft. "Die Kirche lässt sich nicht domestizieren und instrumentalisieren", sagte er der Zeitung. Die kirchliche Meinung werde nicht in der Meinung der Kommission aufgehen. Die Bischöfe bereiteten zudem schon länger einen eigenen Text zur Energiefrage vor.



Erzbischof Marx und ZdK-Präsident Glück für Katholiken in Kommission

An diesem Montag tritt die Ethikkommission erstmals zusammen. Als Vertreter der katholischen Kirche gehören ihr Marx und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, an. Von Seiten der evangelischen Kirche nimmt der Badener Landesbischof Ulrich Fischer teil.



Das Gremium unter Leitung des international renommierten, ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer (CDU), soll den angestrebten Ausstieg aus der Atomenergie begleiten und sich mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen. Gemeinsam mit Töpfer steht der Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft, Matthias Kleiner, an der Spitze des Gremiums. Ferner gehören ihm neben den Kirchenvertretern auch Politiker sowie Wissenschaftler an. Das Treffen beginnt um 14.00 Uhr im Bundeskanzleramt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nimmt daran teil. --