Viel zu lange habe Europa versucht, die Flüchtlinge über das Mittelmeer einfach wieder zurückzuschicken. Abschottung sei aber keine Lösung, weder für den Umgang mit Flüchtlingen noch mit Wirtschaftsmigranten. Marx äußerte sich bei der Verleihung der Alexander-Rüstow-Plakette durch die Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft. Der in Tübingen ansässige Verein ehrte damit den Kardinal für dessen Verdienste um die Förderung einer menschenwürdigen Marktwirtschaft und den Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft.
Marx sagte, er vermisse in Europa, dass Migration nicht viel stärker als Chance für den gemeinsamen Wirtschaftsraum wahrgenommen werde. Eine kluge und verantwortungsvolle Einwanderungspolitik könne aber nicht bedeuten, "wir nehmen nur die Besten und schicken sie wieder zurück, wenn wir sie nicht mehr brauchen können".
"Europa ein großes friedensstiftendes Projekt"
Der Kardinal äußerte sich auch zur Griechenland-Krise. "Die Menschen dürfen Europa nicht als kaltherziges Wirtschaftsprojekt begreifen", sagte er. Die EU müsse daher soziale Ausgleichsmechanismen besitzen, um den Menschen zu verdeutlichen, dass es um die Verbesserung der Lebensqualität aller gehe. Genau dies misslinge derzeit im Ringen um eine Lösung für Griechenland.
Europa sei ein großes friedensstiftendes und wohlstandsschaffendes Projekt, betonte Marx. Seine gemeinsame Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung werde von der Akzeptanz der Bürger getragen. "Fühlen sich einige dauerhaft und systematisch ausgeschlossen, so bröckelt auch die Bereitschaft, diese Ordnung zu akzeptieren." Deswegen dürfe eine anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen EU-Ländern nicht hingenommen werden. Dies wäre "ethisch nicht akzeptabel und ökonomischer Wahnsinn", sagte der Erzbischof.
Vatikan: "Erster Schritt"
Der Vatikan begrüßte die Brüsseler Einigung der EU-Staaten auf eine freiwillige Verteilung von Flüchtlingen als einen "ersten Schritt zu einem gemeinsamen Handeln". Es sei vielleicht das erste Mal, dass Europa die "unmittelbare und konkrete Verpflichtung" verspüre, zumindest den am stärksten von diesen Problemen betroffenen Ländern entgegenzukommen, sagte der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates, Kardinal Antonio Maria Veglio, am Freitag "Radio Vatikan". Dieser Schritt reiche jedoch noch nicht aus. Angesichts der stark angestiegenen zahl der Landungen seien die bisherigen Aufnahmekontingente lächerlich, so der Kardinal.