Kardinal Lehmann verteidigt sein Vorgehen beim Kulturpreis

Keinen Ausschluss verlangt

Im Streit über die Vergabe des Hessischen Kulturpreises hat der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sein Vorgehen verteidigt. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" verwahrt sich der Bischof gegen Behauptungen, er habe den Ausschluss des Preisträgers Navid Kermani "auch nur insinuiert, geschweige denn erwartet oder gar angemahnt".

Karl Kardinal Lehmann: Differenzierter Umgang mit Pius-Brüdern (DBK)
Karl Kardinal Lehmann: Differenzierter Umgang mit Pius-Brüdern / ( DBK )

Jedoch habe er gegenüber Ministerpräsident Roland Koch (CDU) deutlich gemacht, dass er angesichts der Positionen Kermanis den Preis ohne weitere Klärungen nicht annehmen könne. Kermani habe bei seinen Äußerungen über das Kreuz Sensibilität und Respekt vor dem christlichen Glauben vermissen lassen.

«Ich musste mir vorstellen, welche Bildunterschriften zu lesen wären, wenn ich in dieser Situation und möglicherweise noch im Bischofsgewand neben Navid Kermani den Preis entgegengenommen hätte,» so Lehmann. «Ich malte mir schon die Kommentare derer aus, die mich deswegen verhöhnt hätten, heute aber über mich herfallen, weil ich mir dieses Szenario ersparen wollte.»

Der Kardinal warnte zugleich davor, den interreligiösen Dialog zu überfordern. «Wenn nicht eine grundlegende Achtung vor der Glaubensüberzeugung anderer und Respekt vor der Andersheit des Anderen bestehen, steht es schlecht um ein wirkliches Gespräch der Religionen untereinander,» schreibt der Mainzer Kardinal. «Die bescheideneren, aber klärenden Grenzen eines jeden religiösen Dialogs müssen wir wohl noch gemeinsam besser entdecken.»

Zuvor hatte derevangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf den islamischen Autor Navid Kermani verteidigt und heftige Kritik an Lehmann und dem Mitpreisträger, dem ehemaligen Präsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Peter Steinacker, geübt. Der Münsteraner Religionswissenschaftler und katholische Priester Adel Theodor Khoury warf beiden Seiten Übertreibungen vor.

Lehmann und Steinacker hatten es abgelehnt, gemeinsam mit Kermani mit dem Hessischen Kulturpreis 2009 für Verdienste um den interreligiösen Dialog ausgezeichnet zu werden. Sie werfen ihm vor, in einem Zeitungsbeitrag das Kreuz als zentrales christliches Glaubenssymbol fundamental und unversöhnlich angegriffen zu haben.

Graf betont in einem FAZ-Beitrag, dass Kermani kein intoleranter Feind des Christentums sei, der das Kreuz verunglimpfe. Vielmehr sei er ein frommer muslimischer Intellektueller, der sich einfühlsam auch den inneren Sinn christlicher Frömmigkeit zu erschließen suche.
In der Reaktion von Lehmann und Steinacker sieht Graf klerikale Arroganz und Aggressivität. Je mehr die tiefe Glaubenskrise der beiden Volkskirchen sichtbar werde, desto mehr setzten viele Kirchenführer auf «Klerikalmacht».

Khoury hielt Kermani im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor, eine «unüberlegte und verletzende Wortwahl» zu benutzen, wenn er mit Blick auf das Kreuz von Gotteslästerung und Götzenverehrung spreche. Allerdings schwäche er zum Schluss des umstrittenen Aufsatzes seine eigenen Aussagen ab und lasse eine positive Einschätzung der Kreuzesverehrung erkennen. Deshalb sei Lehmanns und Steinackers Ablehnung «wahrscheinlich zu hart ausgefallen». Aus Sicht des Wissenschaftlers ist der Weg zu einem christlich-muslimischen Dialog noch weit. Zunächst sei eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und Vertrauens zu schaffen.

Die für den 5. Juli vorgesehene Verleihung des Hessischen Kulturpreises war am Montag wegen des Streits um die Vergabe verschoben worden. Das Kuratorium hatte ursprünglich Lehmann, Steinacker, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, und Kermani als Preisträger ausgewählt. Nach der Ablehnung Kermanis durch Lehmann und Steinacker entschied das Kuratorium, den Preis nun doch nicht an den muslimischen Autor zu vergeben.