Kardinal Lehmann legt Vorsitz der Bischofkonferenz nieder - Mussinghoff will nicht nachfolgen

"Er ist ein ganz großer Brückenbauer"

Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff steht nicht für die Nachfolge Karl Kardinal Lehmanns an der Spitze der Bischofskonferenz zur Verfügung. Lehmanns Stellvertreter erwarte ein ganz "neues Team". Lehmann (71) hatte am Dienstag erklärt, er wolle wegen einer lebensbedrohlichen Krankheit sein Amt am 18. Februar niederlegen. Bei der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Würzburg in der Woche zuvor soll bereits ein Nachfolger gewählt werden. Den Rücktritt Lehmanns kommentiert im domradio Stefan Vesper, Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Präses Nikolaus Schneider.

 (DR)

"Wir haben gewusst, dass Kardinal Lehmann diese Amtszeit möglicherweise nicht zu Ende bringen wird. Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen wird", sagte Stefan Vesper vom Zentralkomitee Deutscher Katholiken im domradio-Interview.

Lehmann sei in seinem Amt "eine Verkörperung einer dialogfähigen  katholischen Kirche in einer pluralen Gesellschaft und einem demokratischen Staat", beschrieb Vesper die Verdienste des Kardinals. Ihn kennzeichnete seine große Menschlichkeit und sein sympathisches, fröhliches Auftreten.

"Er ist ein ganz großer Brückenbauer", so Präses Nikolaus Schneider über  Kardinal Lehmann. Er habe Lehmann in der persönlichen Begegnung als einen "sehr warmherzigen und verständnisvollen Menschen" erlebt, der "Anteil am persönlichen Leben seines Gesprächspartners" nehme. "Er ist von einer kaum zu überbietenden Freundlichkeit, die auch kaum zu erschüttern ist", so Präses Schneider.

Für die Laien sei er in der alltäglichen Arbeit ein verlässlicher Freund gewesen, berichtet Vesper. "Jemand, der die Sorgen und Anliegen der katholischen Laien in Deutschland kannte."
Sein Amt habe Kardinal Lehmann mit ganzer Kraft ausgeübt. "Er hat sich manchmal vielleicht zuviel zugemutet", sagt Vesper. Lehmann habe sehr viele Einladungen angenommen. "Er wollte überall ein guter Bote der Katholischen Kirche sein."

Stefan Vesper hofft, dass sich der Nachfolger Lehmanns an seinem Vorgänger orientiere. "Das heißt, er sollte zusammenführen und zusammenhalten. In der Kirche wird sich ein Nachfolger finden, der das Amt in seinem Sinne weiterführt", ist Vesper optimistisch.

Mussinghoff will nicht Lehmann-Nachfolger werden
Der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff steht nicht für die Nachfolge Lehmanns zur Verfügung. "Nein, ich habe nicht vor zu kandidieren", sagte der stellvertretende Vorsitzende am Dienstag vor der Presse in Aachen. Man müsse zwar die Vollversammlung im Februar abwarten. Er gehe aber davon aus, dass mit einem ganz neuen Team begonnen werde. Zu Spekulationen über Nachfolger wollte Mussinghoff nichts sagen.

Kardinal Meisner: Respekt für Entscheidung
Auch der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, zollt dem scheidenden Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz "Dank und Anerkennung". Lehmann habe es verstanden, "mit allen gesellschaftlichen Partnern im Gespräch zu bleiben und dem Wort der Kirche Gehör zu verschaffen." Lesen Sie hier den Wortlauf der Stellungnahme:

"Karl Kardinal Lehmann hat nach fast 21-jähriger Amtszeit den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz mit Rücksicht auf seine Gesundheit niedergelegt. Er hat sich in dieser Aufgabe nicht geschont; für seine Entscheidung habe ich daher jeden Respekt. Seinem unermüdlichen Einsatz, seiner aufmerksamen Sorge und seinem beharrlichen Wirken für die Kirche gebühren Dank und Anerkennung. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wir umwälzende historische, politische und wissenschaftliche Ereignisse erlebt. Karl Kardinal Lehmann hat es verstanden, dabei mit allen gesellschaftlichen Partnern im Gespräch zu bleiben und dem Wort der Kirche Gehör zu verschaffen. Ich wünsche ihm von Herzen baldige Genesung und den Wiedergewinn seiner Tatkraft für sein bischöfliches Amt und seine theologische Arbeit."

21 Jahre im Amt
Lehmann ist seit 1987 Vorsitzender. Er wurde vier Mal in Folge in dieses Amt gewählt. Er erreichte mit mehr als 7.400 Tagen die längste Amtszeit eines Vorsitzenden nach dem Zweiten Weltkrieg. Der 71-Jährige war im Dezember wegen Herzproblemen kurzzeitig ins Krankenhaus gegangen und hatte dann eine Kur angetreten. Am 6. Januar nahm er die Arbeit wieder auf.

Mit den Herz-Rhythmus-Störungen sei, so Lehmann in dem Brief, eine eindeutige Zäsur erreicht, die ihm diese "oft rücksichtslose Ausschöpfung" seiner Kräfte im bisherigen Maß nicht mehr erlaube. Deshalb mache er nun von der bereits 2005 bei seiner Wiederwahl angekündigten Möglichkeit Gebrauch, die vierte Sechs-Jahres-Amtszeit nicht voll auszuschöpfen. Ein Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt mache Sinn, weil die jüngsten Bischofsernennungen einen Generationswechsel und Zeit für eine Wachablösung anzeigten.

Ökumene liegt Lehmann am Herzen
Der Kardinal kündigte an, er werde seine Kenntnisse und Erfahrungen weiter in die Bischofskonferenz einbringen und sich noch stärker Grundsatzfragen widmen. Dabei liege ihm auch die schwierige Situation der Ökumene am Herzen. Als Bischof von Mainz will Lehmann weiter im Amt bleiben.

Im Namen der deutschen Bischöfe dankte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff, Lehmann für seinen "unermüdlichen Einsatz". Er würdigte ihn als "herausragenden und zuverlässigen Repräsentanten der Kirche". Mussinghoff hob Lehmanns "profundes theologisches Wissen, seine geistige Aufgeschlossenheit, seine Umsicht und die große Fähigkeit zu integrieren und zu einen" hervor.

Der im oberschwäbischen Sigmaringen geborene Lehmann ist einer der bedeutendsten Theologen der Gegenwart. Er ist seit 2001 Kardinal und seit 1983 Bischof von Mainz. Zuvor lehrte er als Professor in Mainz und in Freiburg. Der Kardinal genießt höchstes Ansehen auch in der evangelischen Kirche, in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Er gilt als ein Mann des Dialogs. Lehmann erhielt zahlreiche Ehrungen, vom Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband bis hin zum "Orden wider den tierischen Ernst".

Unter Lehmanns Leitung öffnete sich die katholische Kirche in Deutschland dem Gespräch mit allen politischen Seiten. Nach dem Fall der Mauer führte er die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen. Eines seiner Kernthemen als Vorsitzender war der Schutz des ungeborenen Lebens. Dabei stand er in den 1990er Jahren über längere Zeit in einem Konflikt mit Rom über die Beteiligung der Kirche am staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung, betonte aber stets seine Loyalität gegenüber dem Vatikan.

Berichte über Differenzen zwischen ihm und Papst Benedikt XVI.
bezeichnete er mehrfach als "maßlos übertrieben". Mit Kardinal Joseph Ratzinger habe er "stets einen offenen Dialog geführt", sagte er. Auch seine Ernennung zum Kardinal im Jahr 2001 durch Papst Johannes Paul II. habe gezeigt, dass in der Kirche eine differenzierte Meinungsbildung erlaubt sei.