Kardinal Kasper zur Liturgie der Kirche

"Christen sollen feiern"

Den Sonntag, auch religiöse Festzeiten wie die Advents- und Weihnachtszeit sieht der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper überlagert "vom Markt und vom Konsum". Er bemängelt gleichfalls, viele Katholiken zeigten durch ihr Benehmen, dass ihnen der Kirchenraum als ein sakraler Ort fremd geworden sei.

Autor/in:
Peter de Groot
Walter Kardinal Kasper: Keine "Events und Kicks" am Sonntag (KNA)
Walter Kardinal Kasper: Keine "Events und Kicks" am Sonntag / ( KNA )

Der frühere langjährige Präsident des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen konstatiert einen Verlust heiliger Zeiten, Zeichen und Orte. Die Ehrfurcht vor etwas, das heilig sei, das "Faszinosum des Wunderbaren" sei heute für viele nicht mehr da, so Kasper bei einem am Mittwoch zu Ende gegangenen mehrtägigen Symposion über "Die Liturgie der Kirche". Wo einmal Transzendenz in eine andere, wunderbare göttliche Welt gewesen sei, sei nun oft das "große Gähnen". Zu dem Symposion eingeladen hatte das nach dem Kardinal benannte und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV) angesiedelte "Kardinal Walter Kasper Institut für Theologie-Ökumene-Spiritualität". Kasper, 78 Jahre alt, ist Ehrendoktor der PTHV.



Viele versuchten, dem "großen Gähnen" - sprich: der Langeweile - zu entfliehen durch Drogen und Sex, durch immer wieder neue Events und Kicks, weiß Kasper, und er verweist auch auf die Esoterik. Es gebe jedoch, sagt er, mehr Menschen, "als wir denken", die innerlich auf der Suche seien nach heiligen Orten, Zeiten und Zeichen, in denen mitten in der Welt etwas aufleuchte, das über alles Weltliche erhaben sei.



Neu buchstabieren lernen

Es gelte, das Christsein "sakramental neu buchstabieren zu lernen", um heilige Orten, Zeiten und Zeichen gleichsam als Ikonen zu verstehen, die etwas vom Heiligen vergegenwärtigten, betont Kasper. "Wir dürfen darum", so der Kardinal, "die Liturgie nicht entsakralisieren und sie der Erhabenheit und des Faszinosums des Heiligen in seiner bestrickenden Schönheit berauben".



Kaspers Nachfolger im Amt des Präsidenten des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, hebt bei dem Symposion hervor, die Liturgie mache bewusst, dass der Mensch alles Gott verdanke. Der frühere Bischof von Basel sieht einen "grundlegenden Zusammenhang" zwischen Dankbarkeit und Gottesdienst.



Woraus folgt: In der Unfähigkeit zur Dankbarkeit, so Koch, wurzele auch die Unfähigkeit zu Gebet und Gottesdienst. Dankbarkeit, sagt Koch, sei die andere Seite der Tatsache, "dass nichts in unserem Leben selbstverständlich ist". Wo aber alles für selbstverständlich gehalten werde, müsse letztlich auch das Gebet verstummen.



Danksagung für das Dasein überhaupt

Glaube ist laut Koch "im Kern Eucharistie", Danksagung für das Dasein überhaupt. Christen sollten feiern, sollten Gott danken und loben. In diesem Sinne sei Liturgie der grundlegende Akt christlichen Lebens überhaupt.



Auch um "Eltern-Kinder-Großeltern-Singles in der sonntäglichen Eucharistiefeier" ging es in Vallendar. In seinen Ausführungen dazu mahnt der Tübinger katholische Religionspädagoge Albert Biesinger eine liturgische Erneuerung mit dem Ziel einer Einbindung insbesondere von Kindern und jungen Familien in die sonntägliche Eucharistiefeier an. Er lobt das 1973 von der römischen Kongregation für den Gottesdienst vorgelegte "Direktorium für Kindermessen" und bedauert zugleich, es sei in vielen Gemeinden bis heute nicht angekommen. In der Zwischenzeit seien viele Kinder aus der Kirche "hinausgepredigt" worden.



Biesinger zeigt sich überzeugt davon, dass "liturgisch adäquat dem Ritus folgend und zugleich spezifisch kind-, familien- und erwachsenengerecht" Eucharistie gefeiert werden könne. Er hebt hervor, Kinder hätten ein Recht darauf, dass ihr Glaubensverständnis als Kind gewürdigt und nicht einfach eine Anpassung verlangt werde, die sie weder kognitiv noch emotional erbringen könnten. Aber: "Es ist eindeutig davon abzuraten", so der Religionspädagoge, "mit Kindern in Gottesdiensten die in der Alltagswelt vorfindbare Eventkultur oder Ablenkungsindustrie kopieren oder gar überbieten zu wollen."



"Liturgiefähiger Mensch - menschengemäße Liturgie" oder "Liturgie - die ästhetische Gestalt der Kirche" waren weitere Themen bei dem Symposion, ebenso "Die Liturgie in der orthodoxen Kirche". Beschlossen wurde das Symposion dann auch mit einer "Feier der göttlichen Liturgie" im orthodoxen Ritus.