Kapitelsamt im Kölner Dom

"Über Grenzen des Todes hinaus bewahrt"

DOMRADIO.DE übertrug am zwölften Sonntag im Jahreskreis das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom. In seiner Predigt erklärt Domkapitular Markus Bosbach, warum Gottesfurcht furchtlos macht und wie Gottes Allmacht in der Natur funktioniert.

Blick auf den Kölner Dom / © Anirut Thailand (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © Anirut Thailand ( shutterstock )

Bosbach habe zwar selbst keine Begründung dafür gefunden, warum Jesus im Tagesevangelium ausgerechnet auf das Bild der vom Himmel fallenden Spatzen zurückgegriffen habe. Seinen Jüngern und uns wolle Jesus aber gleichsam illustrieren, warum seine Forderung "Fürchtet euch nicht!" gelte.

Msgr. Markus Bosbach im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Msgr. Markus Bosbach im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Immerhin sei es für die Jünger damals um einen konkreten Anlass zur Furcht gegangen: Das Bekenntnis zu Jesus konnte Verfolgung, Ausgrenzung, ja, sogar den Tod bedeuten.

Die Jünger hätten davon ausgehen müssen, dass es ihnen nicht besser ergehe als ihrem Meister. "Dennoch forderte Jesus sie auf, sich nicht zu fürchten."

Furchtlose Verkündung statt Evangelium auf Sparflamme

"Statt das Evangelium auf Sparflamme zu kochen und für sich zu behalten, sollten sie furchtlos davon reden, wer ihr Herr ist und an wen sie glauben, so sehr die Herren dieser Welt sie auch verfolgen mögen".

Damit behalte, so Bosbach, die Aufforderung zur Furchtlosigkeit auch für uns, jenseits blutiger Christenverfolgung, ihre Gültigkeit. "Angesichts all dessen und derer, die sich als Herren über uns aufspielen, sollen wir furchtlos daran festhalten, das Evangelium von der Treue und Liebe Gottes zu leben und zu verkündigen."

Jesus stelle uns im Evangelium die Frage, ob unsere physische und materielle Existenz oder unser ganzes Leben uns wichtiger sei.

Mit Gott ist die Seele "über alle Grenzen des Todes hinaus bewahrt"

Natürlich gibt es, betont Bosbach, Bedrohungen der materiellen Existenz, die uns zu Recht Sorgen machen können. "Aber es gibt eben auch die Bedrohung unserer Selbstachtung, unserer Verbindung zu Gott, das, was die Tradition Seelenheil nannte, zu verlieren."

Wenn wir das Überleben sichern und dafür das Leben opferten, hätten wir nichts gewonnen.

"Selbst wenn einer unsere physische Existenz auslöschen kann, in der Verbindung zu Gott ist unser ganzes Leben, die Seele als die große Einheit unserer ganzen Existenz über alle Grenzen des Todes hinaus bewahrt. Fürchtet euch nicht."

Kein Widerspruch zwischen Naturgesetzen und der Allmacht Gottes

Wie Welt laufe nicht ohne Gott, den Allmächtigen und Schöpfer der Welt ab. Selbst die Spatzen würden nicht ohne Gott vom Himmel fallen. Natürlich gebe es Ursachen für alles was geschieht.

Für unseren Glauben und die Heilige Schrift bestehe jedoch keine Konkurrenz und kein Widerspruch zwischen der Gültigkeit der Naturgesetze und der Allmacht Gottes. Vielmehr sei die Weisheit, nach der die Natur funktioniert, für die Bibel eine Seite Gottes, so Bosbach.

"Oberflächlich ist alles nur Biologie, Chemie, Physik, Mathematik, naturgesetzlich – der Glaube sieht in den Ereignissen dieser Welt aber die Bedeutung, die alles haben kann, im Hinblick auf Gott und unser Leben mit Gott."

Nicht nur Gott, sondern auch offenbarender und sorgender Vater

Gleichsam betont Bosbach, dass die Stelle im Evangelium vom fallenden Spatzen nicht nur von Gott, sondern explizit vom Vater, der sich uns offenbart, die Rede ist. Es gehe also nicht um eine hochspekulative Theorie der Vorsehung eines jenseitigen Gottes.

"Vielmehr ist der Grund unseres Vertrauens, dass Gott sich in Christus als unser Vater offenbart hat, ein göttlicher Vater, dem auch und gerade jeder der Ärmsten unendlich wertvoll ist. Jedes seiner Haare ist gezählt und ihm vertraut."

Furchtlosigkeit kommt eigentlich von Gottesfurcht

Das Tagesevangelium stehe im Zusammenhang der Aussendung der Apostel durch Jesus. In Jesu Namen gelte es von den Dächern zu verkünden, was uns aufgetragen ist. Das gelte auch fürs Tun: "Was wir dem geringsten tun oder nicht tun, tun wir dem Herrn oder verweigern wir ihm."

Dass alles was wir tun und sagen, gültig sei im Himmel und auf Erden, vor den Menschen wie vor dem göttlichen Vater, könne zwar durchaus als furchterregend und erschreckend empfunden werden, erläutert Bosbach. "Diese Gottesfurcht aber wirkt Furchtlosigkeit."

Sichtbar machen, wohin Gottes Vorsehung diese Welt führen will

Wie im Fallen des Spatzen sei Gott überall gegenwärtig, alles, selbst das Tun übelwollender Kräfte, komme von ihm. 

"Deswegen brauchen wir keine menschliche Macht zu fürchten, solange wir uns an den lebendigen Gott und seinen Willen halten. Wenn wir die Liebe leben die er uns aufgetragen hat, dann kann durch uns sichtbar werden, wohin Gottes Vorsehung diese Welt führen will."

Nachverfolgt werden kann der Gottesdienst auf dem DOMRADIO.DE-YouTube-Kanal (hier klicken).

Musikalische Gestaltung

Unter der Leitung von Winfried Krane sang die Domkantorei Köln die Missa Pange lingua von Josquin Desprez. An der Orgel: Winfried Bönig.


„Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“ (Mt 10,28)

Impuls zum Sonntagsevangelium Mt 10,26-32 von Michael Hartmann

Seien wir ehrlich: Manchmal erscheint uns das Leben wirklich zum Fürchten. Das liegt nicht allein an den immer wiederkehrenden Katastrophen und Kriegen, auch nicht an dem Umstand, dass manche Medien, die von dort ausgehenden Bedrohungen ins Unermessliche steigern. Es liegt schlicht daran, dass der Mensch sich als "unbehaustes Wesen" erfährt. Nackt kommt er in diese Welt, nackt wird er sie verlassen. Familie und Freunde, Haus und Habe, Lebensstil und Denken, das alles kann nur zeitweise und partiell Schutz und Heimat geben. Hat man schließlich ein gewisses Alter erreicht, dämmert einem zusehends, dass man als Mensch auch ein »endliches Wesen« ist. Dann kann sich die Furcht vor etwas Bestimmten zur Angst ausweiten, welche die ganze Existenz erfasst und sukzessive lähmt. Es wäre schlimm um uns bestellt, wenn unser Leben in einer solchen Sackgasse enden würde.

Gott sei Dank ist dem Menschen von Anfang an eine besondere Fähigkeit eingestiftet. Er ist in der Lage, sich zu transzendieren, das heißt, sich selbst und die Verhältnisse, in denen er lebt, zu übersteigen. Er ist fähig, sich dem »Heiligen« zu öffnen und von daher Kraft, Bestimmung und Sinn zu erfahren. Wer sich als Mensch einem "Du" öffnet, der macht eine Transzendenzerfah-rung, die ihm zeigt, dass er auch "unendlich" ist. Diesen Grund, der unsere paradoxe Existenz "endlich – unendlich" zusammenhält, nennt der Glaube "Gott". Und bei Gott brauchen wir uns nie zu fürchten!

Aus: TeDeum – Das Stundengebet im Alltag, Juni 2023, www.tedeum-beten.de

Quelle:
DR