Kanzlerin Angela Merkel trifft Papst Benedikt in Rom

Eine knappe Stunde Meinungsaustausch

Papst Benedikt XVI. ist am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengetroffen. Im Mittelpunkt der rund 50-minütigen Unterredung am päpstlichen Sommersitz Castelgandolfo stand ein intensiver Meinungsaustausch über Fragen der Weltpolitik, insbesondere den Nahen Osten, wie Merkel im Anschluss vor Journalisten mitteilte.

 (DR)

Papst Benedikt XVI. ist am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengetroffen. Im Mittelpunkt der rund 50-minütigen Unterredung am päpstlichen Sommersitz Castelgandolfo stand ein intensiver Meinungsaustausch über Fragen der Weltpolitik, insbesondere den Nahen Osten, wie Merkel im Anschluss vor Journalisten mitteilte. Ob der Papst der Einladung des Bundestages zu einer Rede nachkommen wird, ist weiterhin unklar. -  Hören Sie im domradio-Interview Radio-Vatikan-Redakteur Pater Cappabianca mit einer Einschätzung des Gesprächs zwischen Kanzlerin und Papst.

Antrittsbesuch als Kanzlerin
Merkel zeigte sich sehr zufrieden mit dem Gesprächsverlauf, außerdem deutete sie ihre Freude über den bevorstehenden Besuch Benedikt XVI. in Bayern an. Zur Frage der EU-Verfassung sagte die Bundeskanzlerin, Europa brauche eine Identität in Form eines Verfassungsvertrags, der einen Bezug auf Gott habe. Europa sei wesentlich vom Christentum und vom christlichen Menschenbild geprägt.

Bei dem Treffen handelt es sich um eine private Audienz, nicht um einen Staatsbesuch. Es war die erste Begegnung Merkels als Bundeskanzlerin mit dem deutschen Papst. Als Oppositionsführerin war sie bereits unmittelbar nach der Papstwahl im April 2005 sowie beim Kölner Weltjugendtag im August 2005 mit dem Kirchenoberhaupt zusammengetroffen.

Zuvor war Merkel am römischen Flughafen Ciampino vom deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Gerd Westdickenberg, und dem Leiter der deutschsprachigen Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat, Monsignore Christoph Kühn, offiziell empfangen worden. In Castelgandolfo fuhr Merkels Autokonvoi direkt in den Papstpalast hinein, der von zahlreichen Polizisten bewacht wurde. Die Kanzlerin, die zu dem Treffen einen schwarzen Hosenanzug trug, begab sich mit kleiner Begleitung zur Audienz in die oberen Etagen.

Schulz kritisiert Merkel-Forderung nach Gottesbezug
Der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament Martin Schulz (SPD) hat die Forderung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Gottesbezug in der EU-Verfassung kritisiert. Damit werde die Diskussion über die Zukunft des EU-Verfassungsvertrages unnötig vorbelastet, erklärte Schulz am Dienstag. Die Frage sei bereits in der Vergangenheit heftig debattiert worden. Er halte es nicht für sinnvoll, eine abgeschlossene Diskussion wieder aufzunehmen und einen mühsam erreichten Kompromiss in Frage zu stellen. Er kündigte an, das Thema mit Merkel bei einem Treffen am Dienstagnachmittag ansprechen zu wollen.

Deutschland übernimmt am 1. Januar für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Einer der Schwerpunkte soll die Zukunft der EU-Verfassung sein, die im Frühjahr 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden war. Bislang 14 EU-Staaten, darunter Deutschland, ratifizierten dagegen den Vertrag.

Offenbar noch keine Entscheidung zu Bundestagsrede des Papstes
Papst Benedikt XVI. hat offenbar noch nicht entschieden, ob er die Einladung von Bundestagspräsident Norbert Lammert zu einer Rede vor dem Deutschen Bundestag annehmen wird. Wie am Montag im Umfeld des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Papst in Castelgandolfo aus diplomatischen Kreisen zu erfahren war, liegt eine Einladung zwar vor, über eine Antwort des Papstes ist aber weder in Berlin noch im Vatikan etwas bekannt. Lammert hatte Benedikt XVI. eingeladen, aus Anlass des 50. Jahrestags der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 vor dem deutschen Parlament eine Rede zu halten. Deutschland hat in der ersten Jahreshälfte 2007 die EU-Präsidentschaft inne.

In Diplomatenkreisen hieß es zu dem Vorgang weiter, es sei noch unsicher, ob der Papst die Einladung annehmen werde. Wenn Benedikt XVI. dies täte, wäre es zugleich sein erster Besuch als katholisches Kirchenoberhaupt in der deutschen Hauptstadt. Auftritte eines Papstes vor einem nationalen Parlament sind äußerst selten. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. hat in seinem 26-jährigen Pontifikat je einmal vor dem polnischen und vor dem italienischen Parlament gesprochen.
(KNA, dr)

Hören Sie hier einen Radio-Vatikan-Beitrag über die christliche Pfarrerstochter Angela Merkel.