Kandidat Milei profitiert nicht nur von Wirtschaftskrise

Papstkritiker als Präsident in Argentinien?

Javier Milei ist seit dem überraschenden Sieg bei den Vorwahlen in Argentinien in aller Munde. Der exzentrische Anarcho-Kapitalist und Papstkritiker könnte 2024 Franziskus bei dessen Heimatbesuch begrüßen - als Präsident.

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Tobias Käufer
Javier Milei, Kandidat der Partei "La Libertad Avanza" für die Präsidentschaftswahl 2023 in Argentinien, am 1. August 2023 in seinem Haus in Buenos Aires (Argentinien). / © Tobias Käufer (KNA)
Javier Milei, Kandidat der Partei "La Libertad Avanza" für die Präsidentschaftswahl 2023 in Argentinien, am 1. August 2023 in seinem Haus in Buenos Aires (Argentinien). / © Tobias Käufer ( KNA )

Der Peso stürzt weiter rasant ab; die Börsen geraten in Turbulenzen: Seit seinem Sieg bei den Vorwahlen in Argentinien gerät der Ökonom Javier Milei (52) weiter ins Blickfeld der Öffentlichkeit - auch außerhalb Argentiniens. Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador vergleicht seinen Aufstieg sogar mit dem Hitlers in den 1930er Jahren, der ebenfalls von einer schweren Wirtschaftskrise profitiert habe.

Milei passt nicht so recht in gängige Schubladen, weil er verschiedene Perspektiven der Gesellschaft vermischt. Besonders deutlich wird das bei seiner Haltung zu Papst Franziskus. Milei kritisiert dessen wirtschaftspolitische Ansichten, steht aber hinter der kirchlichen Sicht zum Thema Abtreibung.

"Papst Franziskus ist im Grunde ein Gegner des Privateigentums"

"Papst Franziskus ist im Grunde ein Gegner des Privateigentums. Dabei ist Privateigentum für das Funktionieren des Preissystems unerlässlich", sagt Milei. Das Preissystem schaffe Wohlstand. "Sie werden nur dann investieren, wenn Sie Früchte Ihrer Arbeit verdienen können. Wenn jemand das Privateigentum in Frage stellt, werden Sie nicht wachsen, Sie werden nicht investieren. Wenn man also die Rolle des Eigentums in Frage stellt, führt das nur dazu, dass man in Armut versinkt."

Sollte Milei die Präsidentenwahlen am 22. Oktober gewinnen, würde er als neues Staatsoberhaupt womöglich im nächsten Jahr Papst Franziskus empfangen. Der will erstmals seit seiner Wahl 2013 sein Heimatland besuchen. Aus Kirchenkreisen ist zu hören, die Reise sei noch für das erste Halbjahr 2024 geplant. Offiziell bestätigt ist das aber noch nicht.

Empfängnis und Tod; jede Unterbrechung dazwischen ist Mord

Übereinstimmung gibt es dagegen bei der Haltung zu Abtreibung, die Milei wie der Papst als Mord bezeichnet: "Das Leben beginnt im Moment der Empfängnis und endet mit dem Tod, das Leben ist also ein Kontinuum mit zwei Sprüngen: Empfängnis und Tod; jede Unterbrechung dazwischen ist Mord. Ich bin nicht für Mord - und Abtreibung ist Mord."

Liberalismus bedeute uneingeschränkten Respekt vor dem Lebensentwurf anderer; also eine Verteidigung des Rechts auf Leben, Freiheit und Eigentum. "Wie verteidigen Sie das Kind im Mutterleib? Das, was sich im Körper der Mutter befindet, ist nicht der Körper der Mutter, sondern ein anderes menschliches Wesen in Entwicklung."

Milei wirbt zudem für ein Recht auf privaten Waffenbesitz zur Selbstverteidigung sowie für die Einführung des US-Dollars, der den Peso ersetzen soll. Er erklärt, wie Donald Trump und Jair Bolsonaro identifiziere er den Sozialismus als Feind.

Sein Markenkern ist die Forderung nach einer freien Wirtschaft  

Das alles sorgt dafür, dass die Emotionen hochfliegen. Tatsächlich ist aber sein Markenkern die Forderung nach einer freien Wirtschaft, die besonders bei jungen Menschen immer populärer wird. Argentinier, die heute 20 Jahre alt sind, kennen praktisch nichts anderes als Wirtschaftskrise und Hyper-Inflation. Ihnen raubt diese Krise jede Chance zum, Aufbau einer eigenen wirtschaftlichen Existenz.

Trotz seines Vorwahlsieges - die Milei-Partei "La Libertad Avanza" holte 30,6 Prozent der Stimmen - ist es aber keineswegs sicher, dass der Exzentriker mit Wuschelfrisur, Lederjacke und Rocker-Attitüde auch tatsächlich gewinnt. Bei den Vorwahlen können die Argentinier nämlich relativ folgenlos eine Protestwahl vollziehen und so den Unmut über die aktuellen Alternativen ausdrücken. Ob aus dem Protest auch der Wille wird, Milei die Verantwortung über das Land zu übertragen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Bislang wird Milei als ein Phänomen wahrgenommen, das in TV-Talkshow laut polternd, oft auch unter der Gürtellinie beleidigt.

Entscheidend für Milei wird sein, ob er in eine Stichwahl gelangt

Nach den Vorwahlen beginnt in Argentinien nun das Schmieden von Bündnissen und Absprachen. Dass ein Kandidat im ersten Durchgang die erforderliche Mehrheit bekommt, ist zwar nicht ausgeschlossen, angesichts der Aufsplitterung in drei Lager aber unwahrscheinlich. Entscheidend für Milei wird sein, ob er in eine Stichwahl gelangt. Dort könnte dann entweder die konservative Hardlinerin Patricia Bullrich oder der Vertreter des linksperonistischen Lagers um Sergio Massa der Gegner sein. Und dann werden die Karten wieder ganz neu gemischt.

Hintergrund: Abtreibung in Argentinien

In Argentinien ist seit 1921 wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung oder bei Lebensgefahr der Mutter legal. Ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch - wie in vielen europäischen Ländern zulässig - ist in Lateinamerika nur in Uruguay, Kuba und Mexiko-Stadt erlaubt. Die Debatte in Argentinien hat nun auch in Chile und Brasilien Frauenbewegungen motiviert, ähnliche Aktionen zu starten.

Abtreibung in Argentinien bleibt illegal / © Harald Oppitz (KNA)
Abtreibung in Argentinien bleibt illegal / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA