Kampf gegen Terror im Nordirak

"Der blanke Horror"

Die Vereinten Nationen haben für den Irak die höchste Notstandsstufe ausgerufen. Die Situation der Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge ist unübersichtlich. Wieviele Menschen auf ihre Rettung warten, ist unklar.
 

Flüchtlinge im Rettungshubschrauber  / © Michel Reimon  (dpa)
Flüchtlinge im Rettungshubschrauber / © Michel Reimon ( dpa )

Die dritte Stufe ermöglicht es den Vereinten Nationen, zusätzliche Hilfsgüter und Geldmittel zu mobilisieren. Vor allem Nahrung und Wasser sollen für die Zehntausenden Menschen, die vor der Offensive der Terrormiliz Islamischer Staat auf der Flucht sind, bereitgestellt werden.

Ungewisse Zahl an Flüchtlingen in den Bergen

Unterdessen gibt es unterschiedliche Berichte, was die Massenflucht der Jesiden aus dem irakischen Sindschar-Gebirge betrifft. Laut einer UN-Sprecherin befinden sich nur noch rund 1000 Menschen in dem Gebiet. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR konnten sich in den vergangenen fünf Tagen etwa 80 000 Menschen aus dem kargen Gebirge retten. Die USA hatten mitgeteilt, eine US-Rettungsmission im Nordirak sei eher unwahrscheinlich.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker zweifelt die jüngsten Einschätzungen der USA zur Zahl der jesidischen Flüchtlinge im Nordirak an. "Die Erkundungstrupps können nicht in allen Höhlen, Tälern und Schluchten nachgesehen haben. Wir gehen weiter von 30.000 bis 40.000 Menschen aus, die von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) eingekesselt sind", sagte der Nahost-Experte Kamal Sido, am Donnerstag in Göttingen.

Dramatischer Augenzeugenbericht

Dass weiterhin zehntausende Menschen von der Terrormiliz im Sindschar-Gebirge eingekesselt sind, kann auch der österreichische Grünen-Abgeordnete Michel Reimon bestätigen. Im domradio-Interview schildert er, wie er einen Tag lang Hilfslieferungen an die eingeschlossenen Jesiden im Nordirak begleitet hat. Als "blanken Horror" beschreibt er die Situation. Zehntausende Menschen warten auf ihre Rettung. In dem Moment, in dem der Rettungshubschrauber aufsetzt, entwickelt sich "ein Kampf auf Leben und Tod, wer in dem Hubschrauber mitfliegen darf". Die Menschen haben weder etwas zu essen noch zu trinken, als absolute "Grenzerfahrung" beschreibt Michel Reimon das Erlebte. Ganz besonders erschüttert hat ihn die Situation, als ein Vater seine kleinen Töchter an Bord des Hubschraubers fast schon "geworfen" hat. Er selber wurde daran gehindert, den Hubschrauber zu betreten. Die kleinen Töchter haben in "Angst und Panik" nach ihren Eltern geschrien. Ob die Familie inzwischen wieder vereint ist, weiß Reimon nicht.

Bei den Flüchtlingen handelt es sich vor allem um Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Viele hatten über Tage bei hohen Temperaturen mit wenig Wasser und Nahrung im Sindschar-Gebirge ausgeharrt. Die Extremisten hatten vor fast zwei Wochen weitere Gebiete im Nordirak eingenommen.

Deutsche Waffen in den Irak?

Unterdessen geht die Diskussion weiter, ob angesichts der dramatischen Lage im Irak Deutschland Waffen in das Land liefern soll oder nicht.  Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schließt Waffenlieferungen nicht mehr aus: "Im Übrigen werde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass wir gegebenenfalls, wenn die Bedrohungslage so anhält, auch Waffen liefern müssen", sagte Steinmeier am Mittwoch im  ZDF. Das brutale Vorgehen der Terrormiliz Islamischer Staat könne dies notwendig machen.

Zum Einwand auch aus der eigenen Partei, dass Waffenlieferungen in Kampfgebiete nicht zulässig sind, sagte Steinmeier: "Was die Grundsätze für Rüstungslieferungen angeht, so sind die Grundsätze Grundsätze. Und sie berücksichtigen eben auch, dass wir außergewöhnliche Lagen haben können, in denen es dann eine politische Entscheidung geben muss, aus eigenen sicherheitspolitischen Interessen auch anders zu handeln".

Die Friedensbewegung in Deutschland hat vor Waffenlieferungen an die irakische Armee und die Kurden im Nordirak gewarnt. "Waffenlieferungen sind immer die schlechteste von allen schlechten Lösungen, da sie unweigerlich Opfer zur Folge haben", sagte Pfarrer Matthias Engelke, Vorsitzender des deutschen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes, dem Evangelischen Pressedienst in Minden. Wer Waffen liefere, werde unweigerlich selbst zur Konfliktpartei und scheide damit für Wege aus dem Konflikt aus. Stattdessen sei eine Aufnahme von Flüchtlingen nötig.

 

 


Quelle:
DR , epd , dpa , KNA