Käßmann wird heute zur Botschafterin Luthers

Margot und Martin

Rund zwei Jahre nach ihrem Rücktritt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland wird Margot Käßmann heute als Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017 eingeführt. Für die evangelische Kirche wird die 53 Jahre alte Theologin für die Feiern zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers an die Wittenberger Schlosskirche werben. Ein Porträt.

 (DR)

"Und Frau Käßmann, gehören Sie "ner Religionsgemeinschaft an?" Über die Frage der Mitarbeiterin in einem Berliner Rathaus schmunzelt die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) noch immer. Margot Käßmann, das vielleicht bekannteste Gesicht des deutschen Protestantismus, lebt seit ihrem Rücktritt von allen Kirchen-Ämtern in Berlin, wo Christen eine Minderheit sind. Dass das Wissen über Kirche nicht sonderlich verbreitet ist, zeigt sich nicht nur daran, dass die Rathaus-Mitarbeiterin Käßmann nicht erkannte. Immerhin hatte sie sich zuvor bereits nach dem Beruf der Ex-Bischöfin erkundigt.



Das säkulare Berlin bietet der 53-Jährigen einen Vorgeschmack auf ihre neue Aufgabe. Am 27. April wird sie als Botschafterin der EKD für das Reformationsjubiläum ins Amt eingeführt. Sie soll auch in Gebieten für Kirche, Glauben und die Thesen des Reformators Martin Luther werben, in denen wenig Christen leben. Käßmann wird durch Deutschland und vielleicht auch durch die Welt reisen, um den 500.

Jahrestag von Luthers legendärem Thesenanschlag im Jahr 2017 bekannter zu machen.



Viele Auftritte

Das öffentliche Interesse an ihr steigt nun wieder. Direkt nach ihrem Rücktritt ging sie erstmal in die USA. Auch danach blieb es ruhig um sie. Jetzt ist ihre Stimme wieder häufiger zu hören - angefangen beim Interview in der "Frau im Spiegel" bis zur Talkrunde über Alter und Sterben bei Frank Plasberg in der ARD.



Auch wenn sie in der Zeitschrift betont, dass sie "Frau der Kirche" sei und keine Ambitionen für eine politische Laufbahn hege, sind auch deutliche Botschaften der zierlichen Frau wieder zu erwarten. "Ich fand es immer merkwürdig, wenn Leute gesagt haben, Kirche kann nicht politisch sein", sagte sie dem epd. Das Evangelium selbst sei politisch, ist sie überzeugt.



Auch bei Luther findet Käßmann dafür Vorlagen - beispielsweise die Schriften wider den Wucher. "Interessant, das heute mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu verbinden", sagt sie. Trotzdem will sie den Reformator auch kritisch anfassen. Wiederholt verwies sie in den vergangenen Wochen auf Luthers Antisemitismus und sieht in ihm "kein wirklich großes Beispiel für Toleranz".



Käßmann wird sich zudem dafür einsetzen, dass Protestanten und Katholiken gemeinsam im Jahr 2017 auf die Reformationsgeschichte zurückblicken. Ihre theologischen Wurzeln hat die gebürtige Marburgerin in der Ökumene der weltweiten Christenheit. Sie promovierte über das Thema und wurde als 25-jährige Vikarin als jüngstes Mitglied in den Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen gewählt.



1999 wurde sie Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, der größten EKD-Mitgliedskirche. Im Oktober 2009 wurde sie als erste Frau zur EKD-Ratsvorsitzenden gewählt. Nach nur vier Monaten im Amt trat sie nach einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss zurück und verabschiedete sich auch aus Hannover.



Keine Rückkehr in die Gremien

Ihr neuer Wohnort Berlin soll auch ihr Arbeitsort und vermutlich Startpunkt zahlreicher Reisen von Käßmann sein. In Wittenberg, wo sich die EKD-Geschäftsstelle für das Jubiläum und verschiedene Stiftungen niedergelassen haben, wird sie nach eigenen Angaben keine festen Präsenzzeiten haben. Überhaupt will sie sich aus diesen Gremien heraushalten, "weil ich nicht Teil dieser Strukturen bin", erklärt sie.



Ihre Botschafter-Tätigkeit - und die damit verbundene Freiheit - nutzt sie zur Diskussion darüber, wie und mit welchem Luther-Bild die evangelische Kirche das Jubiläum in fünf Jahren feiern will. Gerade hat sie das Buch "Schlag nach bei Luther" mit Originaltexten des Reformators zu verschiedenen Themen herausgegeben. Ihr nachdenkliches Vorwort warnt vor zuviel Überschwang, der nationalistischen Missbrauch Luthers in der Vergangenheit vergisst. "Ein solcher Blick zurück muss sensibel dafür machen, dass Reformationsjubiläen heikle Zeitpunkte sind", schreibt sie.