Käßmann kritisiert BGH-Urteil zum Verbleib der "Judensau"

"Das ist eine Hassbotschaft"

Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Wittenberger "Judensau" als "falsche Entscheidung" bezeichnet. Sie nannte zugleich die antisemitische Hetze von Martin Luther.

Margot Käßmann / © Patrick Seeger (dpa)
Margot Käßmann / © Patrick Seeger ( dpa )

Das Gericht hatte am vergangenen Dienstag entschieden, dass die judenfeindliche Schmähplastik weiter an der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg bleiben darf."«Ich finde die Entscheidung falsch", schrieb Käßmann in ihrer Kolumne in der "Bild am Sonntag".

Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz (KNA)
Darstellung an der Stadtkirche in Wittenberg / © Norbert Neetz ( KNA )

"Gehört nicht in den öffentlichen Raum"

Anfangs habe sie auch gedacht, eine entsprechende Bodenplatte erkläre die Skulptur doch als historisch. "Aber die 'Judensau' beleidigt schlicht auch heute Jüdinnen und Juden", schrieb die frühere Landesbischöfin von Hannover und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Martin Luther Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg / © Martin Jehnichen (KNA)
Martin Luther Denkmal auf dem Marktplatz in Wittenberg / © Martin Jehnichen ( KNA )

Die evangelische Kirche habe erst vor wenigen Jahren begonnen, ihre antijudaistischen Züge aufzuarbeiten. "Martin Luther hat in Wittenberg gegen Juden gehetzt", schrieb Käßmann. Und weiter: "Die 'Judensau' ist eine Hassbotschaft. Und Hassbotschaften gehören nicht in den öffentlichen Raum."

Fehlende "gegenwärtige Rechtsverletzung"

Der Bundesgerichtshof hatte die Klage gegen das vorinstanzliche Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg zurückgewiesen. Der Kläger, Mitglied einer jüdischen Gemeinde, hatte die Abnahme des Sandsteinreliefs aus dem 13. Jahrhundert verlangt, weil er dadurch das Judentum und sich selbst diffamiert sieht.

Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters sagte zur Begründung, der Kläger könne nicht die Entfernung verlangen, weil es an einer "gegenwärtigen Rechtsverletzung" fehle. Isoliert betrachtet verhöhne und verunglimpfe das Relief das Judentum als Ganzes, räumte das Gericht aber ein.

Das Stichwort: Die Wittenberger "Judensau"

Das Sandsteinrelief wurde um das Jahr 1300 an der Südfassade der Stadtkirche Wittenberg angebracht. Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen sich Menschen laben, die Juden darstellen sollen. Ein Rabbiner blickt dem Tier unter den Schwanz und in den After. Schweine gelten im Judentum als unrein.

Mit solchen Darstellungen sollten Juden im Mittelalter unter anderem davon abgeschreckt werden, sich in der jeweiligen Stadt niederzulassen. Ähnliche Spottplastiken finden sich auch am oder im Kölner und Regensburger Dom sowie am Dom zu Brandenburg.

Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild (KNA)
Antijüdisches Relief in Wittenberg / © Norbert Neetz/epd-bild ( KNA )
Quelle:
epd
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