Käßmann beklagt kleiner werdende Kirchen

"Verlust von Gemeinschaft"

Die zurückgehende Bedeutung von Kirchen und christlichem Glauben hat nach Einschätzung der evangelischen Theologin Margot Käßmann negative Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft. Denn es sei ein Verlust von Gemeinschaft.

Margot Käßmann / © Harald Oppitz (KNA)
Margot Käßmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Wenn es keine verbindenden biblischen Geschichten, gemeinsame Feste und Rituale mehr gebe, gehe der Glauben verloren, so die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Montagabend bei einer Diskussionsveranstaltung des Südwest-Presse-Forums im Ulmer Stadthaus.

"Verlusterfahrung" für die Gesellschaft

Eine kirchliche Gemeinde könne aber immer noch ein einzigartiger Ort der Begegnung sein, weil sich in ihr Menschen jeden Alters und aus allen sozialen Schichten treffen. Über die virtuellen Kommunikationsformen hinaus seien gerade diese persönlichen Begegnungen für die Menschen tragend. Deshalb sei der "gigantische Traditionsabbruch", dem Kirchen und christlicher Glaube ausgesetzt seien, eine "Verlusterfahrung" für die gesamte Gesellschaft.

Junge Menschen nur schwer erreichbar

Junge Menschen und ihre Sinnfragen könnten von der Kirche nur schwer erreicht werden, sagte die Theologin. Ein wesentlicher Grund dafür seien die vielen Fälle von Missbrauch und Gewalt in der Kirche. 

Denn durch das grausame Handeln dieser Täter, die bei ihr einen "riesigen Zorn" ausgelöst hätten, sei die gesamte kirchliche Jugendarbeit diskreditiert worden. Das führe dazu, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr diesem "Kinderschänderverein" anvertrauen wollten, was für die vielen in der Jugendarbeit engagierten Menschen sehr schmerzlich sei. 

Margot Käßmann

Margot Käßmann ist eine der prominentesten deutschen Theologinnen. Die frühere hannoversche Landesbischöfin war 2009 die erste Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). In der Öffentlichkeit ist die Mutter von vier Töchtern für ihre klaren Stellungnahmen und durch zahlreiche Publikationen bekannt, die sich auch mit ihren persönlichen Lebenserfahrungen beschäftigen. Mit ihrem 60. Geburtstag 2018 ging Käßmann vorzeitig in den Ruhestand. Zuvor war sie Botschafterin des Rats der EKD für das 500. Reformationsjubiläum.

Margot Käßmann / © Meiko Herrmann (KNA)
Margot Käßmann / © Meiko Herrmann ( KNA )
Quelle:
epd