Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Armutszuwanderung

Kritik der Caritas

Die Bundesregierung will künftig verstärkt gegen die sogenannte Armutseinwanderung aus Südosteuropa vorgehen. Das Kabinett brachte am Mittwoch ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Kritik kommt von der Caritas.

Unterkünfte von rumänischen Arbeitern in Frankfurt am Main (dpa)
Unterkünfte von rumänischen Arbeitern in Frankfurt am Main / ( dpa )

Grundlage für den Gesetzesentwurf ist der Abschlussbericht einer im Januar zu dem Thema eingesetzten Staatssekretärsrunde. Dieser sieht unter anderem härtere Strafen bei Sozialmissbrauch durch Zuwanderer und finanzielle Hilfen für die besonders betroffenen Städte wie etwa Duisburg und Gelsenkirchen vor. In diesem Jahr soll es für die Kommunen 25 Millionen Euro Soforthilfe geben.

Der Gesetzesinitiative zufolge sollen EU-Migranten, die für die Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung falsche Daten angeben, künftig bestraft werden. Bei Betrug drohen befriste Einreisesperren. Außerdem sollen Zuwanderer aus EU-Staaten künftig nur noch ein halbes Jahr Zeit haben, um Arbeit zu finden. Zur Vermeidung von Missbrauch soll das Kindergeld künftig nur noch unter Angabe der steuerrechtlichen Identifikationsnummer gezahlt werden. So soll verhindert werden, dass für ein Kind mehrfach Kindergeld bezogen wird.

Bereits im März sagte der Bund 200 Millionen Euro zu. Die Mittel für Unterkunft oder Heizung werden nun um weitere 25 Millionen Euro aufgestockt. Hinzu kommen zehn Millionen Euro für die medizinische Versorgung und rund 40 Millionen Euro für Sprachkurse.

Behandlung nicht krankenversicherter Menschen

Die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner hält die Soforthilfen vom Bund für nicht ausreichend. "Die 25 Millionen Euro sind zwar erst einmal ein richtiges Signal, aber das wird für die nächsten Jahre nicht reichen, sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien des Deutschen Städtetages ist, am Mittwoch dem WDR-Radio.

Problematisch für die Kommunen sei zudem, dass die bereits vom Bund zugesagten 200 Millionen Euro projektgebunden seien und nicht pauschal verwendet werden könnten. Diese Gelder lösten daher nicht das Problem der Kostenentlastung "im ganz normalen System Kernverwaltung". Beispielsweise gehe es um die Kosten, die durch die Behandlung nicht krankenversicherter Menschen oder die Inobhutnahme von Kindern aus schwierigen Familien entstünden. "Das können wir nicht durch Projektgelder ersetzen, aber dafür brauchen wir eine Refinanzierung."

Auf das Problem der hohen Zahl nicht krankenversicherter Menschen unter den Zuwanderern aus Südosteuropa wies auch der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, hin. Er begrüßte zwar im Grundsatz die konkreten Hilfen des Bundes für betroffene Städte, mahnte aber ein Kompetenzzentrum auf Bundesebene an, das Ansprüche für Behandlungen von nicht versicherten Zuwanderern gegenüber Krankenversicherungen klärt.

Zoerner und Articus betonten, dass die Frage des Sozialleistungsmissbrauchs nicht die zentrale Herausforderung sei. Die sogenannten Armutszuwanderer wollten hier arbeiten, hätten aber eine falsche Vorstellung vom hiesigen Arbeitsmarkt und besäßen keine ausreichenden Qualifikationen, sagte die Sozialdezernentin.

Caritas: Verfälschtes Bild

Heftige Kritik übte an dieser Stelle auch die Caritas. "Die aktuelle Debatte um vermeintliche Armutszuwanderung und das betrügerische Erschleichen von Sozialleistungen durch EU-Zuwanderer macht Vorurteile und Diskriminierung salonfähig", kritisierte Caritas-Präsident Peter Neher. Die Politik zeichne ein verfälschtes Bild der Situation. "Es gibt keinen Beleg für einen höheren Sozialleistungsbetrug von Rumänen und Bulgaren." Selbstverständlich müsse Missbrauch geahndet werden. Doch dies gelte für alle Bürger. Begrüßenswert sei indes, dass Schwarzarbeit stärker bekämpft werden solle.

Der theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen, Albert Henz, hält die Gesetzesinitiative für überflüssig, da kein überproportionaler Missbrauch stattfinde. Sinnvoll und glaubwürdig sei die Gesetzesänderung nur dann, wenn man den EU-Ländern helfe, die dortigen Lebensbedingungen für die Menschen zu verbessern, bekräftigte er seine Haltung im WDR-Radio.

Auch der Deutsche Gewerkschaft (DGB) befand das Papier als mangelhaft. Der Bericht analysiere fast ausschließlich den Zuzug aus den mittel- und osteuropäischen Ländern. Herausforderungen, die sich aus der Abwanderung aus den südeuropäischen Krisenländern ergeben, würden ausgeblendet. Eine differenzierte Analyse der Arbeitsmarktsituation von EU-Bürgern fehle weitgehend.


Quelle:
epd