Jurist di Fabio wirbt für europäische Debattenkultur

Keine Abschiebungen in Krisengebiete

Straffällig gewordene Flüchtlinge dürfen wohl nicht in Krisengebiete abgeschoben werden - das sei mit dem geltenden Recht in Deutschland kaum vereinbar, sagt der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio.

Prof. Udo Di Fabio / © C.H.Beck Verlag
Prof. Udo Di Fabio / © C.H.Beck Verlag

In der Debatte, ob straffällig gewordene Flüchtlinge auch in Krisengebiete abgeschoben werden sollten, meldet sich nun auch der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, zu Wort. Dies sei rechtlich kaum möglich, sagte er der "Welt am Sonntag". "Deutschland ist an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden und wird nicht in Regionen abschieben, in denen Gefahr für Leib und Leben droht."

Ein europäisches Asylrecht, nach dem Brüssel die Verteilung der Flüchtlinge übernimmt, lehnte der Jurist ab. "Wer es gut meint mit Europa, will nicht, dass Brüssel darüber entscheidet, wer in Frankreich, Deutschland oder Polen leben darf." Auch grundsätzlich müsse Europa "Streit auch einmal aushalten", fügte er hinzu. Dies könne helfen, nüchtern abzuwägen.

Nicht übertreiben

Insgesamt sei eine "Sakralisierung von weltlichen Einrichtungen" zu beobachten, so di Fabio in Anlehnung an den Sozialphilosophen Hans Joas, der von einer "Sakralisierung Europas" gesprochen hatte. Laut di Fabio geht es dabei "um die moralische Immunisierung politischer Projekte". Dies betreffe etwa Sprachregelungen politischer Korrektheit, die durchaus der Aufklärung dienen könnten. Der Jurist warnte jedoch vor Übertreibung: Dann drohten "gefährliche Tabuisierungen und Blockaden des öffentlichen Meinungsraums".


Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber / © Patrick Seeger (dpa)
Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber / © Patrick Seeger ( dpa )
Quelle:
KNA