"Kaum jemand fragt nach dem Alter"
Der Mann bewegt sich mit seinen Ideen am Rande der Legalität. Die gute Sache hat für Marcus Grosser jedoch eindeutig den höheren Stellenwert als eine diffuse Rechtslage. Seit zwei Jahren initiiert er mit seinem Verein Pro Yougend e.V. in Weyhe bei Bremen mit Teenagern sogenannte Testkäufe für Alkohol und stellt Einzelhandel wie Gastronomie auf die Probe. Mit erschreckendem Ergebnis: "Kaum jemand fragt nach dem Alter der Jugendlichen. Sie kommen tatsächlich problemlos an harten Stoff", sagt Vereinsvorsitzender Grosser.
Immer mehr Jugendliche flößen sich den Stoff immer früher einen. Nicht nur Menschen wie der seit über 20 Jahren in der Jugendarbeit tätige Grosser erkennen die damit verbundenen Gefahren. Sinnlos dabei zusehen, wie sich die Jugendlichen "zusaufen", das wolle er nicht, sagt der 36-Jährige. Als die Zahl der Alkoholleichen und der verkauften Alcopops stetig stieg, entschied er, dass die Zeit zum Handeln gekommen war. "Wir können nicht unterbinden, dass die Teenager trinken", sagt Grosser. Aber sein Verein wolle die Menschen stärker für dieses Problem sensibilisieren, insbesondere diejenigen, die Alkohol verkaufen und ausschenken - oftmals in dem Wissen, dass die Kundschaft jünger als 18 ist.
Im Grunde in der Illegalität
In der 30 000 Einwohner zählenden Gemeinde gehen ausgewählte Teenager im Alter zwischen 15 und 18 Jahren auf die Pirsch nach unerlaubtem Alkoholverkauf. Mit erschreckendem Ergebnis: Im Regelfall werden die Jugendlichen bedient, wie Grosser sagt. Von den Verkäufern hören die Vereinsmitglieder anschließend oftmals die gleichen Ausreden. Gemeinde, Polizei und Ordnungsamt unterstützen den Verein bei seiner Arbeit. Auch die Eltern haben ihr Einverständnis erklärt. Dennoch bewege sich der Verein mit seinen Aktionen im Grunde in der Illegalität, sagt Grosser. "Wenn es aber darum geht, aufzuklären, dann nehme ich das gerne ich Kauf."
Polizei-Hauptkommissar Johann-Dieter Oldenburg betont, "für uns sind das besondere Aktionen". Den Beamten sei bewusst, dass ihr Tun in diesem Fall nicht ganz rechtens ist. "Aber im Grunde besteht die einzige Lüge darin, dass die Jugendlichen in diesen Fällen gar keinen Alkohol für sich kaufen wollen", sagt er. Die Polizei begleite die Testkäufe zwar, habe innerhalb dieser Aktionen aber keine Handhabe gegen Verstöße.
Auch Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut in Hannover hält solche Käufe für "eigentlich zwingend notwendig". Für ihn ist das Vorgehen des Vereins alles andere als Rechtsbruch. "Momentan ist der Jugendschutz doch ein zahnloser Tiger", sagt Pfeiffer. Beim Thema Jugendschutz und Alkohol könne man nicht passiv bleiben. "Gesetze werden ad absurdum geführt, wenn es keine Kontrollen wie in diesem Fall durch Jugendliche gibt", sagt der Experte.
"Der Jugendschutz muss ohne Frage effizienter gestaltet werden"
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wurde für ihren Vorstoß, Jugendliche als Testkäufer einzusetzen, von Politikern und Kinderschutzverbänden massiv kritisiert und zog das geplante Gesetzesvorhaben zurück. Die niedersächsische Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) beruft sich auf die bisher mangelnde rechtliche Grundlage für die Testkäufe und den geplanten Runden Tisch in Berlin zu diesem Thema. "Der Jugendschutz muss ohne Frage effizienter gestaltet werden, aber solche Einzelaktionen halten wir nicht für sinnvoll", sagt ihr Sprecher Thomas Spieker.
Kommentare, die man in Weyhe ebenso wenig nachvollziehen kann wie die harsche Kritik an der Familienministerin. "Frau von der Leyen hat uns eigentlich einen Gefallen getan", sagt Kommissar Oldenburg und hofft wie Kriminologe Pfeiffer darauf, dass der Widerstand gegen die Pläne der Ministerin fällt.
Von Corinna Laubach (ddp)
Jugendliche Alkohol-Testkäufer in Niedersachsen
Auf Pirsch nach verbotenem Stoff
Als Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen vor Woche vorschlug, Jugendliche als Testkäufer einzusetzen, wurde sie von Politikern und Kinderschutzverbänden massiv kritisiert und zog das geplante Gesetzesvorhaben zurück. In Niedersachsen wird von der Leyens Idee schon länger umgesetzt - mit erschreckenden Ergebnissen.
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