Jüdische Zuwanderer aus der UdSSR erzählen ihre Lebensgeschichten

Von Verzweiflung bis Hoffnung

Es sind menschliche Schicksale, über die in Deutschland kaum etwas bekannt ist. Seit dem Fall der Berliner Mauer sind über 200.000 Juden aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland ausgewandert.

 (DR)

Im System des Stalinismus und Kommunismus unterdrückt, suchten Sie eine neue Heimat in Deutschland mit dem Ziel, ihren Kindern und Familien ein besseres Leben zu sichern. Das Buch "Lebenswege und Jahrhundertgeschichten" versucht nun die Erinnerungen der Auswanderer festzuhalten und die bewegenden Lebens- und Leidensgeschichten von Juden in der ehemaligen Sowjetunion aufzuschreiben. Dafür sprachen die Historiker Ursula Reuter und Thomas Roth mit 40 Auswanderern, die zwischen 1914 und 1938 geboren worden sind.

Antisemitismus an vielen Stellen

Eine von ihnen ist Ida Slavina. 1921 geboren, ist ihr Leben stark geprägt von der Verfolgung und Ermordung ihres Vaters in der Zeit des Stalinismus. Nach seiner Abwendung vom Kommunismus, war er in den Augen der sowjetischen Führung ein „Volksfeind“ und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Ida Slavina selbst bemerkte die Gräueltaten, die in der ehemaligen Sowjetunion geschehen sind, nach eigenen Angaben erst nach und nach. Vor allem in Schule und Ausbildung schlägt ihr aber immer wieder ein stetiger Antisemitismus entgegen. Ihr und ihren jüdischen Mitschülern wurden Ausbildungswege verwehrt und schlechtere Noten gegeben. Die Auswanderung nach Deutschland ist ihr dennoch nicht leicht gefallen, auch wenn sie heute froh ist in Deutschland zu leben. Sie hat gelernt, dass das heutige Deutschland „ganz anders ist“ und sie hier ihren jüdischen Glauben leben darf und ihr Schicksal ernstgenommen wird.

Bewegende Interviews

"Für viele Menschen war es das erste Mal, dass sie über ihre Erlebnisse in der ehemaligen Sowjetunion sprechen", sagte der Autor Thomas Roth gegenüber domradio.de. Als Wissenschaftler habe er bisher vor allem mit Akten zu tun gehabt. Die Interviews mit den Zeitzeugen und ihren ganz individuellen Leidensgeschichten, hätten ihn und seine Kollegin daher auch persönlich tief getroffen. "Die vielen Schicksale der sowjetischen Juden, sind vielfach noch gar nicht aufgearbeitet und gerade in Deutschland vielen Menschen nicht bekannt."

Ein Buch für Juden und Nicht-Juden

Aus diesem Grund hofft auch Abraham-Josef Lehrer, Mitglied des Vorstandes der Kölner Synagogen-Gemeinde, dass das Buch und die dazugehörige Internetseite auch Nicht-Juden erreichen. Das in deutscher und russischer Sprache umgesetzte Projekt, solle aber auch den jüdischen Gemeinden die Schicksale der zugewanderten Glaubensgeschwister näher bringen. „Das große Problem ist immer die Sprache gewesen. Gerade die ältere Zuwanderergeneration hat häufig Schwierigkeiten mit den ansässigen Juden in Kontakt zu kommen. Dieses Problem haben wir mit dem Projekt aus dem Weg geräumt“, so Lehrer.  Zudem solle das 50 stündige Filmmaterial der Interviews, dass über die zugehörige Internetseite abgerufen werden kann, auch junge Menschen für die Lebensgeschichten begeistern.

Das Buch "Lebenswege und Jahrhundertgeschichten. Erinnerungen jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in Nordrhein-Westfalen" hat 544 Seiten und ist im Emons Verlag Köln erschienen. Angereichert mit Porträtaufnahmen und Dokumenten der Zeitzeugen, ist es ein bewegendes Zeugnis von bisher kaum beachteten Lebenswegen und Schicksalen.


Quelle:
DR