Judenmission

Stichwort

Die Mission von Christen unter Juden führt nicht erst seit dem Holocaust zum Streit zwischen beiden Weltreligionen. Obwohl missionierende Judenchristen im ersten Jahrhundert die Grundlagen des Christentums legten, zogen frühchristliche Theologen bald klare Grenzen zwischen Christen und Juden. Die Kirche bezeichnete sich selbst jahrhundertelang als "wahres Israel" und sprach dem Judentum die Existenzberechtigung als eigenständige Religion ab. Zwangstaufen von Juden im Mittelalter, die schließlich in eine von der Kirche geduldete Diskriminierung und grausame Verfolgung mündeten, sind bis heute in der jüdischen Geschichte nicht vergessen.

 (DR)

Ende der 90er Jahre entbrannte innerhalb der evangelischen Kirche ein heftiger Streit um die Judenmission. Konservative, missionarisch geprägte Christen legitimieren die Judenmission für die Gegenwart mit dem Argument, dass Jesus schließlich selbst Jude war und sich mit seiner Botschaft zuerst an sein eigenes Volk gewandt hat. Auch «nach Auschwitz» sei Judenmission in Deutschland daher möglich. Umstritten sind auch evangelikale Organisationen, die sogenannte «messianische Juden» unterstützen, die in Jesus Christus den Messias sehen und versuchen, andere Juden zu bekehren.

Gegner der Judenmission halten dagegen, man dürfe nicht die Augen davor verschließen, dass mit dem Christentum eine schreckliche Leidensgeschichte für das Judentum verbunden ist. Der Begriff «christliche Judenmission» setze zudem voraus, dass sich Christentum und Judentum als zwei unterschiedliche Religionen gegegnüberstehen, erklären Theologen. Das Judentum könne von Christen jedoch nicht als Fremdreligion abgehandelt werden.

Zuletzt hatte in der römisch-katholischen Kirche die erweiterte Wiederzulassung der außerordentlichen Form des römischen Gottesdienst-Ritus mit der von Papst Benedikt XVI. revidierten Karfreitagsfürbitte für Irritationen gesorgt. Das Gebet wurde als subtile Aufforderung zur Judenmission interpretiert und hatte zu einer enormen Belastung des christlichen-jüdischen Dialogs geführt.