DOMRADIO.DE: Ihr neues Buch "Gott kann manchmal ganz schön blöd sein - Die Geschichte eines Zwiespalts" ist im Bonifatius-Verlag erschienen. Darin erzählen Sie, weshalb Sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sind und trotzdem weiter glauben. Wie gehen Sie mit diesem Zwiespalt um?

Michael Schophaus (Journalist und Autor): Ehrlich gesagt, nicht sehr gut. Deshalb habe ich ja auch das Buch geschrieben. Seit dem Austritt sind schon acht Jahre vergangen, aber ich laufe noch mit schlechtem Gewissen herum. Ich fühle mich immer noch oft schuldig; wie ein kleiner Dieb, der seine eigene Vergangenheit bestohlen hat.
Es wird einem ja auch sehr einfach gemacht. Man steht kurz irgendwo, füllt ein Formular aus und die Sache ist erledigt – die Verbindung zu Gott scheinbar beendet. So schnell geht das.
DOMRADIO.DE: Sie haben Ihre Glaubensgeschichte niedergeschrieben. Wie prägt Ihre katholische Kindheit im Ruhrgebiet Sie bis heute?
Schophaus: Die schleppe ich natürlich mit mir herum. Die steckt mir in den Knochen und prägt mich bis heute sehr stark. Ich hatte das volle Programm: Taufe, Kommunion, Messdiener, Lektor. Mein Vater war Gemeinderatsvorsitzender, und der Pfarrer war oft bei uns zu Hause. Das war für mich als Kind nicht immer angenehm. Meine Oma wollte sogar, dass ich Priester werde. Diese Kindheit ist noch sehr präsent in mir.
Zweifel kamen mir aber auch schon sehr früh. Ich erinnere mich, wie ich als kleiner Junge gefragt habe, warum Adam als erster Mensch einen Bauchnabel hatte. Niemand konnte mir das erklären. Das waren die Zweifel, die ein kleiner Junge an der Kirche hat.
DOMRADIO.DE: Schicksalsschläge können solche Zweifel oft verstärken. Ihr kleiner Sohn ist an Krebs gestorben. Was hat diese Erfahrung mit Ihrem Glauben gemacht?
Schophaus: Das war eine enorme Prüfung für meinen Glauben. Mein Sohn ist mit vier Jahren an Krebs gestorben, nach zwei Jahren Kampf. Bei seiner Trauerfeier stand ich auf der Kanzel und rief laut: "Zum Teufel mit dem lieben Gott!" Ich sagte auch: "Gott hat seinen Sohn zurückbekommen, wir nicht." Da habe ich meine Wut herausgestammelt. Danach habe ich sehr lange gebraucht, um mich wieder mit ihm zu versöhnen.
Wir waren damals in einer Gemeinde, die uns in die Arme nehmen und unterstützen wollte, aber ich habe da irgendwie gar keinen Zugang zu gehabt. Es war für mich ein Reflex, alles auf Gott zu schieben. In meinem Buch schreibe ich, es müsste ein elftes Gebot geben, das verbietet, dass Kinder vor ihren Eltern sterben.

DOMRADIO.DE: Gott und Glaube werden in unserer Gesellschaft immer unwichtiger. Was bedeutet das für Sie?
Schophaus: Ich glaube, dass dabei viele Werte verloren gehen. Gerade in einer Zeit, in der wir diese Werte dringend bräuchten: Glaube, Liebe, Hoffnung, Respekt und Gerechtigkeit. Auch mit Blick auf die KI ist es wichtig, dass wir diese Werte bewahren und nicht alles der Technik überlassen.
Für mich steht Gott für den Glauben an diese Werte und ihre Erhaltung. Ich befürchte, diese Wertediskussion könnte verloren gehen. Die Bibel war für mich auch immer ein literarisches Vorbild. Die ist wunderbar geschrieben. Da kommen viele Sachen zusammen.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, dass Glaube an den Glauben und ihr Glaube an Gott trotz allem geblieben ist. Was müsste die Kirche tun, damit Menschen wie Sie sich wieder zuhause fühlen?
Schophaus: Die Kirche müsste sich mehr öffnen – das ist keine neue Forderung. Aber der Umgang in der Kirche ist oft verschlossen. Ich war als Reporter viel unterwegs. Wenn ich daran denke, wie im Islam der Gebetsteppich gen Mekka ausgerollt wird, oder Hinduisten ihre Opfergaben auslegen, dann sehe ich große Unterschiede zu den Katholiken, die das nicht so offen ausleben, die das nicht in den Alltag integrieren.
Die Leute in der Kirche bewegen doch kaum ihre Lippen beim Singen. Da fehlt einfach der Mut. Ich wünsche mir Priester, die auch politisch Stellung beziehen. Manchmal gehe ich in eine protestantische Kirche, weil der Pfarrer dort wunderbar gegen rechts und die AfD predigt und für Gerechtigkeit eintritt. Da kann ich wunderbar zuhören. Ich überlege gerade ernsthaft zu konvertieren, damit die alte Seele vielleicht ihren Frieden findet.
Das Interview führte Hilde Regeniter.