Joachim Gauck tritt als Bundespräsidenten-Kandidat an

"Ein linker, liberaler Konservativer"

SPD und Grünen haben den früheren Bundesbeauftragten für DDR-Stasi-Unterlagen Joachim Gauck als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Der intellektuell und als Redner herausragend begabte 70-Jährige würde auch dieses Amt mit Bravour ausfüllen.

Autor/in:
Norbert Zonker
 (DR)

Er ist der einzige der Bürgerrechtler aus der Endphase der DDR, dessen Name auch eine inoffizielle Verbform hervorgebracht hat:
«gaucken». Das zeigt, dass Joachim Gauck den Ruf seiner Institution, der Behörde für die DDR-Stasi-Unterlagen, weitaus stärker persönlich geprägt hat, als dies normalerweise bei Amtsleitern der Fall ist.

Wie kein anderer steht Gauck für die unbestechliche, der Wahrheit, aber niemals dem Rachebedürfnis verpflichtete Aufarbeitung des Unrechts in der DDR. Er selbst sah darin vor allem einen Beitrag zu einem «tragfähigen, auf Offenheit und Auseinandersetzung gegründeten inneren Frieden», wie er es in seinem zweiten Tätigkeitsbericht 1995 formulierte. Für den aus Rostock stammenden Sohn eines Kapitäns ist Freiheit nicht nur eine Floskel für Sonntagsreden, sondern existenzielles Anliegen. Was Unfreiheit bedeutet, hatte er bereits
1951 erfahren, als sein Vater wegen angeblicher Spionage verhaftet und bis 1955 nach Sibirien deportiert wurde.

Evangelischer Pastor
Gauck studierte evangelische Theologie, wurde Pastor in Lüssow (Kreis Güstrow) und ab 1971 in Rostock-Evershagen und leistete so seinen Beitrag dazu, dass die Kirchen in der DDR ein Raum für das freie Denken und Sprechen blieben. In den 80er Jahren vertrat er eine zunehmend offensive und auch DDR-kritische Haltung in Menschenrechts-, Friedens- und Umweltfragen und gehörte 1989 zu den Initiatoren der kirchlichen und politischen Protestbewegung in Mecklenburg. Er leitete wöchentliche Gottesdienste mit anschließender Großdemonstration in Rostock und wurde Mitglied und regionaler Sprecher der Bürgerbewegung «Neues Forum».

Für sie wurde er 1990 Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer und leitete dort den «Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) /Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)». Am 2. Oktober, dem letzten Tag vor der Wiedervereinigung, wählte ihn die Volkskammer nahezu einstimmig zum «Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR».

Fairer, wenn auch manchmal unbequemer Gesprächspartner
Für seine Amtsführung und seine Impulse wurde er später vielfach geehrt. Den Kirchen, deren anfangs zögerlichen Umgang mit ihrer Schuld bei Stasi-Verstrickungen er manchmal beklagte, war er ein fairer, wenn auch manchmal unbequemer Gesprächspartner. Gauck, der sich selbst als «linker, liberaler Konservativer» charakterisierte, wurde bereits 1999 als Bundespräsidenten-Kandidat vorgeschlagen - aus CSU-Kreisen und als Gegenkandidat zu Johannes Rau. Damals lehnte er ab. Nach dem Ende seiner Amtszeit im Oktober 2000 engagierte er sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und in der Vereinigung «Gegen Vergessen - Für Demokratie», deren Vorsitzender er seit 2003 ist. Politische Ämter oder Mandate hatte der Parteilose seither nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte Gauck zum 70. Geburtstag im Januar mit den Worten: «Er hat sich in herausragender und auch in unverwechselbarer Weise um unser Land verdient gemacht - als Bürgerrechtler, politischer Aufklärer und Freiheitsdenker, als Versöhner und Einheitsstifter in unserem jetzt gemeinsamen Land sowie als Mahner und Aufarbeiter des SED-Unrechts.» Und sie meinte auch: «Trotz aller Verschiedenartigkeit verbindet uns ja einiges, auch im Persönlichen.»

Jetzt tritt der Vater von vier erwachsenen Kindern am 30. Juni gegen den von Merkel nominierten Christian Wulff an und stellt damit womöglich so manchen Vertreter von Union und Liberalen in der Bundesversammlung vor die Qual der Wahl.