Jesuiten-Pater wegen Missbrauch suspendiert - Provinzial im Interview

Neue Opfer nennen weiteren Täter

Die Befürchtungen, dass die in den vergangenen Tagen ans Licht gekommenen Missbrauchsfälle an Jesuitenschulen nicht die einzigen Taten gewesen seien, scheinen sich zu bestätigen. Am Dienstagabend ging der Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Dartmann SJ, mit einem weiteren Fall an die Öffentlichkeit. Der betreffende Jesuit wurde erst heute vom priesterlichen Dienst suspendiert. In einer ersten Stellungnahme zeigte sich Dartmann gegenüber dem domradio hörbar schockiert.

 (DR)


Pater Dartmann sagte dem domradio, dass sich der Täter heute selbst angezeigt habe und von ihm von der Ausübung des Priesteramtes supendiert wurde. Es sei "eine sehr, sehr große Tragödie, die jetzt sichtbar wird", so Dartmann. Der Orden befände sich nun in einem Lernprozess, wie man mit solchen Fällen umgehen kann. Für ihn sei es wichtig, dass die Opfer ihm das Recht geben, Fälle zu veröffentlichen. Der Orden könne und wolle nun keine eigenen Ermittlungen machen und diese der damit beauftragten Berliner Anwältin Ursula Raue überlassen. Er selbst werde sich künftig "kommentarmäßig völlig zurückhalten" bis Frau Raue ein Ergebnis vorlege, dann werde zu entscheiden sein, welche weitergehende Konsequenzen es gibt.


Die Erklärung Dartmanns im Wortlaut
"Auf der Pressekonferenz am 1.2.2010 in Berlin habe ich bestätigt, dass zwei ehemalige Patres aus dem Jesuitenorden sich in den 70er und 80er Jahren sexueller Übergriffe schuldig gemacht haben.

Nun teile ich Ihnen mit, dass es einen weiteren Jesuiten gibt, der sich zu sexuellen Übergriffen bekannt hat, nachdem er von Frau Raue, der Beauftragten für die Prüfung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs, mit den Aussagen von drei Opfern konfrontiert worden ist, die sich jetzt gemeldet haben. In einem Falle hat der Beschuldigte die Tat zugegeben. Daraufhin habe ich ihn aufgefordert, sich unverzüglich bei der Polizei zu melden und gegen sich selbst Anzeige zu erstatten. Das ist bereits geschehen.
Darüber hinaus habe ich den Mitbruder heute mit sofortiger Wirkung vom priesterlichen Dienst suspendiert.

Der betreffende Jesuit, der noch heute im Orden ist, war Religionslehrer in Berlin am Canisius Kolleg (1970-1971), in Hannover als Jugendseelsorger (1971-1975), als Lehrer und in der Jugendarbeit in Berlin (1976-1981) und danach als Lehrer und Jugendseelsorger in Hamburg (1981-1983) tätig. Danach war er über zwanzig Jahre lang Projektleiter eines anerkannten Hilfswerkes.

Schon früher hat es eine Anzeige eines Opfers gegeben, bei der gemäß den seit 2002 geltenden Richtlinien vorgegangen worden ist. Dem Opfer wurde absolute Vertraulichkeit zugesagt. Das anschließend in Gang gesetzte Verfahren führte dazu, dass dem Vorstand des Hilfswerkes mitgeteilt wurde, dass der betreffende Pater die Leitung des Hilfswerkes abgeben muss, was auch geschehen ist.

Die Vorfälle aus den 70er Jahren in Hannover, deren Opfer sich jetzt an die Beauftragte gewendet haben, geben Anlass zu der Befürchtung, dass es auch an anderen Orten solche Übergriffe gegeben hat.

Ich danke den Opfern, dass sie hervorgetreten sind und entschuldige mich bei ihnen im Namen des Ordens."