Jesuiten-Flüchtlingsdienst warnt vor Panikmache bei Asylzahlen

"Im weltweiten Vergleich minimal"

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst warnt vor Alarmismus wegen der gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern. Die Zahl von jetzt 50.000 Anträgen pro Jahr in Deutschland sei im Vergleich zu weltweit 42 Millionen Flüchtlingen "lächerlich klein", sagte der Direktor der katholischen Hilfsorganisation, Frido Pflüger, am Mittwoch in Berlin.

 (DR)

Hier bereits von "Asylmissbrauch" zu sprechen, sei völlig unangebracht. Pflüger, der bis vor kurzem Regionaldirektor des Flüchtlingsdienstes in Ostafrika war, bekräftigte die Forderung nach einer stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung für lange in Deutschland lebende Menschen. Beunruhigt zeigte sich die Hilfsorganisation über die zunehmenden Abschiebungen von einem EU-Land in ein anderes. Nach dem Dublin-II-Abkommen ist jeweils der Mitgliedsstaat der Europäischen Union aufnahmepflichtig, in den die Einreise in die EU erfolgte.



Eine amtliche Statistik, wieviele der bundesweit rund 6.500 Abschiebehäftlinge 2011 solche "Dublin-II-Fälle" waren, existiert nicht. Schätzungen des Flüchtlingsdienstes zufolge sind es in manchen Haftanstalten wie etwa in München oder im brandenburgischen Eisenhüttenstadt bereits mehr als die Hälfte der Insassen.



Zudem könnte den meisten von ihnen die Haft erspart werden, wenn Alternativen wie etwa Meldeauflagen oder Kautionsstellung konsequent umgesetzt würden. "Wie wir mit Flüchtlingen und Hilfesuchenden umgehen, ist ein Gradmesser für unsere menschliche Kultur", betonte Direktor Pflüger.



Überwachung der Abschiebungen in Schönfeld geplant

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst kündigte an, dass mit Start des neuen Flughafens Berlin-Schönefeld auch dort Abschiebungen von neutraler Seite überwacht würden. Dazu hätten die Länder Berlin und Brandenburg sowie die beiden großen Kirchen ein "Forum Abschiebungsberatung" gegründet, für das die Verträge derzeit im Umlaufverfahren unterschrieben würden, hieß es. Die geplante Stelle würde von den vier Partnern finanziert.



Auch die Bundespolizei, die die nicht anerkannten Asylbewerber den Fluggesellschaften zur Abschiebung übergibt, ist den Angaben zufolge mit dem Projekt einverstanden. Abschiebebeobachter gibt es bereits an den Flughäfen Frankfurt/Main, Düsseldorf und Hamburg.



Rechtsanwalt Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst bekräftigte in diesem Zusammenhang die Forderung nach Abschaffung des Flughafen-Schnellverfahrens. Die stark verkürzte Prüfung von Asylanträgen widerspreche allen rechtlichen Grundsätzen. In Berlin-Schönefeld wurde dazu bereits vor Eröffnung des neuen Airports ein spezieller Asylgewahrsam in Betrieb genommen.



Auch in Frankfurt am Main gibt es eine ähnliche, allerdings mit 100 Plätzen weitaus größere Einrichtung. Laut Habbe eskaliert dort zuweilen die Situation. Allein im vergangenen Monat habe es dort fünf Suizidversuche gegeben.



Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst wurde 1980 angesichts der Not vietnamesischer Bootsflüchtlinge gegründet. Er ist heute mit über 2.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Ländern tätig. In Deutschland setzt er sich seit 1995 vorwiegend für Abschiebehäftlinge, Geduldete und Menschen ohne Papiere ein.