Jesuit: Du sollst Deine Eltern enttäuschen

Nicht gefallen wollen

"Du sollst Vater und Mutter ehren" – das fünfte der Zehn Gebote ist Christen geläufig. Jesuitenpater Michael Bordt ergänzt nun zum Weihnachtsfest, dass man Eltern durchaus enttäuschen könne, um alte Rollenmuster zu durchbrechen.

 (DR)

Michael Bordt (57), Jesuit und Philosoph, rät Familien zum Weihnachtsfest, sich auf Neues einzulassen und alte Rollenmuster zu durchbrechen, auch wenn das zu Enttäuschungen führt. Möglich werde das, "indem man vorschlägt: Lasst uns doch mal einen anderen Weg finden, Weihnachten zu feiern, einen anderen Ort oder andere Rituale. Darüber entsteht dann die Freiheit, sich neu zu begegnen", sagte der Vorstand des Instituts für Philosophie und Leadership der Hochschule für Philosophie in München dem Magazin "Spiegel".

Damoklesschwert "harmonisches Weihnachtsfest"

Bordt schloss nicht aus, dass es dabei zu gegenseitigen Enttäuschungen kommen könne. "Wir legen andere Menschen auf eine einmal getroffene Einschätzung fest." Sich daraus wieder zu befreien sei nicht leicht. "Es geht mir aber nicht darum, dass es kracht. Man kann auch auf positive Weise von dem Bild wegrücken, auf das man sich festgelegt fühlt."

Die Idee eines harmonischen Weihnachtsfests schwebe wie ein Damoklesschwert über vielen Familien, so der Jesuit. "Die Eltern erwarten, dass die Kinder sich auf eine bestimmte Weise verhalten, dass sie bestimmte Dinge sagen oder nicht sagen. Die erwachsenen Kinder haben wiederum das Gefühl, sie spielen nur eine Rolle in einem Spiel, das vor 30 oder 40 Jahren noch einen Sinn und eine Gültigkeit hatte." In dieser Situation könne man sich von alten Zuschreibungen befreien und innerhalb der Familie ins Gespräch kommen.

Auch Unternehmenschefs und der Papst müssten in diesem Sinn Erwartungen enttäuschen können, fügte Bordt hinzu. Sie dürften nicht gefallen wollen. "Franziskus enttäuscht ja zurzeit sehr viele. Sowohl die Leute, die es gern hätten, dass er mal ordentlich durchgreift in der Kurie, als auch die Konservativen. Der Papst ist wirklich ein guter Enttäuscher. Der kann's."


Quelle:
KNA
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