Jerzy Buzek will "Europa den Bürgern näherbringen"

Protestant aus Polen wird Europaparlaments-Präsident

Ein evangelischer Pole wird künftig an der Spitze des Europäischen Parlaments stehen. Bei der Eröffnungssitzung der neuen Legislaturperiode erhielt der ehemalige polnische Ministerpräsident Jerzy Buzek (69) die meisten Stimmen. Buzek, der zur Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) gehört, tritt nun die Nachfolge von Hans-Gert Pöttering an. Fünf Jahre nach der EU-Osterweiterung bringt die Wahl Buzeks erstmals einen Politiker der Beitrittsländer in das prestigeträchtige Amt.

Autor/in:
Oliver Hinz
 (DR)

Im Europaparlament agierte Buzek bislang eher im Hintergrund. In der vergangenen Legislaturperiode gehörte er dem Ausschuss Industrie, Forschung und Energie an. In seiner Heimat engagierte er sich früh in der polnischen Gewerkschaft und Freiheitsbewegung Solidarnosc.

Von 1997 bis 2001 war er Ministerpräsident in Polen. Buzek gilt als Mann des Ausgleichs, das Gegenteil eines Machtpolitikers. Kein anderer Ministerpräsident konnte sich in Polen seit der Wende 1989 eine ganze Legislaturperiode im Amt halten. Trotzdem endete seine Amtszeit katastrophal: seine Wahlaktion Solidarnosc (AWS) zog nicht wieder ins Parlament ein. Sein überraschendes Comeback feierte er bei den Europawahlen 2004 mit einem Spitzenergebnis in seinem schlesischen Wahlkreis.

Die Geschichte Polens und sein eigenes Engagement in der Solidarnosc-Bewegung thematisierte Buzek gleich in seiner ersten Rede nach der Wahl am Dienstag in Straßburg. Dabei erinnerte er auch an die Rolle des damaligen Papstes Johannes Paul II. (1978 - 2005), durch den diese Bewegung erst möglich geworden sei. Protestantisch und trotzdem stolz auf den Papst aus Polen - für Buzek, 1940 in der Nähe der heutigen polnisch-tschechischen Grenzstadt Teschen (Cieszyn), einer Hochburg der evangelisch-augsburgischen Kirche geboren, ist und war das kein Widerspruch.

1997 sagte er in einem Interview: «Die Tatsache, dass der Papst aus Polen kommt, ist für uns nicht nur Anlass zu nationalem Stolz; sie gibt uns auch geistige Kraft.» Folgerichtig führte ihn damals seine erste Auslandsreise als Ministerpräsident in den Vatikan. Und er war es auch, der den Weg frei machte für die Ratifizierung des polnischen Konkordats durch das Parlament.

Buzek nahm 1979 - wie mehr als eine Million Polen - am ersten Freiluft-Gottesdienst teil, den Johannes Paul II. nach der Papstwahl in seiner einstigen Bischofsstadt Krakau zelebrierte. Vertraut ist ihm die katholische Konfession auch durch seine Frau Ludgarda und seine Tochter Agata. Dazu passt das Geschenk, das er seinem Vorgänger Pöttering am Dienstag in Straßburg überreichte: eine kleine, aus einem Stück Kohle gefertigte Figur der heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute.

Tief graben will Buzek nun auch in seinem neuen Amt. So rief er in seiner ersten Rede das Europaparlament auf, seine Schwächen zu überwinden, um das Vertrauen der Bürger in die EU zu stärken. Diese erwarteten, dass die Politiker sie aus der Krise herausbrächten. Für dieses und andere Ziele hat der Pole zweieinhalb Jahre Zeit. Gemäß einem Abkommen zwischen EVP und Sozialdemokraten soll er bis zur Mitte der Legislaturperiode im Amt bleiben und dann von einem sozialdemokratischen Europaparlaments-Präsidenten abgelöst werden.