Jerusalems emeritierter Patriarch Sabbah wird 80

Streitbarer Geist im Unruhestand

Er ist kein Papst a. D., der sich im Gebet in die Stille der vatikanischen Gärten zurückziehen wollte. Michel Sabbah ist auch fünf Jahre nach seiner Amtsabgabe an Nachfolger Fouad Twal eine öffentliche Person.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

20 Jahre leitete er als erstes arabisches Oberhaupt seit der Wiederbelebung des Patriarchats im Jahr 1847 die Geschicke der lateinischen Katholiken im Heiligen Land. Es waren Jahre, so Sabbah in seiner Bilanz, «unter dem Einfluss unentwegten Konflikts». Am Dienstag wird der Palästinenser 80 Jahre alt - und ist noch längst nicht leise.

Unliebsame Interviewfragen weist der Alt-Patriarch schon mal unter Verweis auf seine Funktionslosigkeit in der Hierarchie des Heiligen Landes zurück. Vor allem aber wenn es um sein Herzensanliegen geht, die Zukunft des palästinensischen Volkes und seiner Christen, ergreift der Palästinenser noch immer gern das Wort. Die Angst vor dem Frieden, so die Kritik des streitbaren Geistlichen, sei größer als die Angst vor dem Krieg. Die Friedensaussichten im andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt seien entsprechend gering, weil der "Konflikt verwaltet" werde.

In Nazareth geboren, tritt Sabbah mit zehn Jahren ins "kleine Seminar" des Lateinischen Patriarchates in Beit Dschallah ein und studiert anschließend im «großen Seminar» Theologie und Philosophie. 1955 wird er in Nazareth zum Priester geweiht und im selben Jahr zum Vikar im jordanischen Madaba ernannt. Er unterrichtet Arabisch am Seminar und wirkt als Zeremoniar des Patriarchen.

Streiter für die palästinensische Sache

Besonderes Interesse des jungen Priesters gilt der arabischen Sprache und den Islamwissenschaften, die er von 1968 bis 1975 in der Diözese Dschibuti lehrt. Seine Doktorarbeit verfasst er in Beirut, Fachgebiet arabische Philologie. 1980 übernimmt Sabbah die Präsidentschaft der Bethlehem-Universität, die er bis zu seiner Ernennung zum Patriarchen von Jerusalem und der Bischofsweihe in Rom 1988 innehat.

Bei Journalisten und der politischen Linken ist der im Vergleich zum Jordanier Twal eher unnahbare Sabbah auch nach seiner Emeritierung wegen seiner pointierten Positionierung im Nahost-Konflikt beliebt. Er wolle weniger politisch sein und die Beziehungen zu Israel verbessern, hatte Twal zum Amtsantritt 2008 verkündet durchaus in Abgrenzung zu seinem Vorgänger.

Sabbah ist ein engagierter Streiter für die palästinensische Sache. Wo sich andere Kirchenvertreter mit vorsichtiger Zurückhaltung äußern, wird der Emeritus gern deutlich und rührt dabei gelegentlich an Tabuzonen, wenn er etwa für eine Einbindung islamistischer Kräfte in die Lösungssuche für den Nahen Osten plädiert. Scharf verurteilte Sabbah 2012 die Beteiligung von Kirchenvertretern an den Diskussionen um eine mögliche Rekrutierung arabischer Israelis für die israelische Armee. Es handele sich um eine Besatzungsarmee, und entsprechend sei es eine "Frage des Gewissens und der Würde", einen solchen Wehrdienst zu verweigern.

Auch sonst Mann klarer Worte

Auch im Streitfall von Cremisan macht sich der Palästinenser zum prominenten Fürsprecher seines Volkes. Inmitten der durch Israels Mauerbaupläne bedrohten palästinensischen Ländereien von Beit Dschallah feierte er zusammen mit der Ortsgemeinschaft Gottesdienst unter freiem Himmel - als Protest. In seiner Predigt verurteilte er die Besatzungspolitik Israels und forderte eine gerechte Friedenslösung in Koexistenz.

Als "Schritt vorwärts in Richtung Frieden" bezeichnete er das Vorgehen der Palästinenser, bei den UN auf einen dauerhaften Beobachterstatus zu pochen. Die internationale Gemeinschaft müsse Israelis und Palästinenser "mit allen politischen und diplomatischen Mitteln zu einem dauerhaften Friedensabkommen zwingen", forderte Sabbah im Herbst in einem Plädoyer.

Auch die Kirche rief er zur Übernahme ihrer Verantwortung auf, «damit das Heilige Land nicht ein Land des Krieges» werde. Um mehr weltkirchliche Sensibilität für die Nahost-Christen zu stiften, rief Michel Sabbah 1998 zusammen mit dem Vatikan ein Solidaritätstreffen ins Leben. Dieses sind inzwischen eine Institution - und bringen jedes Jahr eine Reihe europäischer und nordamerikanischer Bischöfe ins Heiligen Land.


Quelle:
KNA