Ethiker über Chemie-Nobelpreis für Genom-Editierung

"Jede Technik kann zweischneidig sein"

Der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr an die Erfinderinnen von CRISPR/Cas, einer Methode zur Genom-Editierung. Aber sind Eingriffe in die Gene nicht auch ethisch problematisch? Ethikratsmitglied Andreas Lob-Hüdepohl warnt.

Gentechnik: Das Erbgut von Pflanzen, Tieren und nun auch des Menschen ist veränderbar – wo ist die Grenze? / © Iryna Imago (shutterstock)
Gentechnik: Das Erbgut von Pflanzen, Tieren und nun auch des Menschen ist veränderbar – wo ist die Grenze? / © Iryna Imago ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Diese Technologie habe die Biowissenschaften revolutioniert, schreibt das Komitee zur Begründung. Was sind denn da die großen Vorteile?

Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl (Professor für Theologische Ethik und Mitglied im Deutschen Ethikrat): Die großen Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden, das Genom von Lebewesen zu beeinflussen, ist, dass es vergleichsweise einfach erfolgt, kostengünstig, also für viele zugänglich ist, und auch mit Blick auf die Frage, ob das zielgenau und auch wirklich wirksam ist, hat sie eine hohe Präzision.

Das ist tatsächlich, soweit ich das als Ethiker beurteilen kann, ein Meilenstein. Von daher gebührt, glaube ich, den Nobelpreisträgerinnen der Preis zurecht.

DOMRADIO.DE: Aber wenn wir in Deutschland das Wort Gentechnik hören, dann sind wir auch ganz schnell bei den Bedenken. Sie haben mal gesagt, dass im Bereich der grünen Gentechnik diese Methode ethisch unbedenklich sei. Warum?

Lob-Hüdepohl: Jede Technik kann zweischneidig sein. Auch die Gentechnik bei Pflanzen dient der Züchtung. Aber auch hier weiß man nicht hundertprozentig, ob nicht bestimmte Off-Target-Effekte entstehen, also Effekte, die man nicht wünscht, die man nicht abgesehen hat, aber die man auch nicht komplett verhindern kann.

Durch diese Methode ist die Gentechnik im Bereich des pflanzlichen Lebens, also in der Landwirtschaft, deutlich sicherer geworden, und das ist natürlich hinsichtlich der Züchtung von Pflanzen ein großer Vorteil. Aber völlig unbedenklich ist das nicht, jedoch deutlich weniger bedenklich, als wenn man diese Gentechnik etwa beim Menschen einsetzt.

DOMRADIO.DE: Bei den jetzt ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen geht es auch darum, dass neue Krebstherapien durch diese Methode entwickelt und außerdem eventuell Erbkrankheiten geheilt werden können. Und doch gibt es Kritik an möglichen Eingriffen in die menschliche Keimbahn. Droht uns da der "perfekte Mensch"?

Lob-Hüdepohl: Erst einmal nicht. Sie haben zwei Stichworte genannt, die ganz wichtig sind, und die unterschieden werden müssen, nämlich Therapien, beispielsweise bei Krebserkrankungen. Da handelt es sich um eine sogenannte somatische Gentherapie. Da wird die Therapie bei bereits ausgewachsenen, lebendigen Lebewesen, also bei Menschen angesetzt. Etwaige Veränderungen, um eine bestimmte Krankheit zu heilen, sind begrenzt auf diesen lebenden Menschen. Der Mensch hat den Vorteil. Aber wenn irgendetwas passiert, hat er den Nachteil. Da unterliegt die Gentherapie den üblichen Erfordernissen nach Sicherheit und Wirksamkeit. Aber das haben wir auch bei Medikamenten.

Das zweite Anwendungsgebiet halte ich persönlich tatsächlich für sehr, sehr kritisch. Da geht es um die Veränderung der menschlichen Keimbahn, also beispielsweise der weiblichen Eizelle, des männlichen Spermiums oder des frühen Embryos. Und die Veränderungen, die damit induziert werden, angeregt werden, betreffen nicht bereits schon Lebende und sind auf diese beschränkt, sondern sie betreffen zukünftiges Leben. Dieses zukünftige Leben wird dann, wenn es sich weiter fortpflanzt, was üblicherweise oftmals der Fall sein wird beim Menschen, das immer weitergeben.

Diese Keimbahnintervention halte ich für hochbedenklich, im Unterschied beispielsweise zur sogenannten somatischen Gentherapie.

DOMRADIO.DE: Aber wenn die Genommethode auch einiges Gutes bewirken kann, wie kann man denn wirksam verhindern, dass sie für schlechte Ziele eingesetzt wird?

Lob-Hüdepohl: Indem man es schlicht verbietet. Genauso wie ein Embryonenschutzgesetz solche Eingriffe verbietet, kann man solche Verbote stark machen und stark halten, indem man beispielsweise eine somatische Gentherapie erlaubt. Die ist übrigens in Deutschland erlaubt und auch üblich. Sie unterliegt den strengen Erfordernissen nach Sicherheit und Wirksamkeit einer Therapie. Aber das gilt für jede Form von Therapie, also auch für eine sogenannte pharmakologische, medikamentöse Therapie. Das unterliegt auch strengen Limitationen. Es muss sorgfältig geprüft werden. Das merken wir gerade bei der Entwicklung von Impfstoffen. Das hat ganz enge Grenzen, wie man das erprobt, bevor es zugelassen werden kann.

Man kann also bestimmte Eingriffe in die menschliche Keimbahn schlicht unter Strafe stellen. Es kann zwar sein, dass das dann in anderen Ländern umgangen werden kann, weil es dort nicht unter Strafe steht, aber das ist immer das Problem, wenn man eine Regelungsmöglichkeit nur für einen bestimmten Bereich hat, also etwa für die Bundesrepublik Deutschland.

Aber wenn man der Überzeugung ist, dass das falsch ist - und diese Überzeugung vertrete ich -, dann kann man das hier auch nach wie vor verboten halten. Es ist noch verboten. Es gibt immer die Bestrebungen, dieses Verbot aufzuweichen oder aufzubrechen. Aber wir haben das Embryonenschutzgesetz, und das sollte man schlicht behalten.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Theologe Andreas Lob-Hüdepohl / © Julia Steinbrecht (KNA)
Theologe Andreas Lob-Hüdepohl / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR