Jahresbilanz-Interview mit Erzbischof Robert Zollitsch

"Mir hat Franziskus Mut gemacht"

Eine positive Bilanz eines für die Kirche bewegten Jahres hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, gezogen. Im Interview äußert er zudem die Hoffnung, dass es im Bistum Limburg zu einem Neuanfang kommen werde.

Erzbischof Robert Zollitsch (dpa)
Erzbischof Robert Zollitsch / ( dpa )

KNA: Herr Erzbischof, was war für Sie 2013 das wichtigste Ereignis für die katholische Kirche in Deutschland? 

Zollitsch: Es war tatsächlich ein stürmisches Jahr. Wenn ich selber zurückschaue, muss ich sagen, einerseits war es der Rücktritt von Papst Benedikt. Ich habe das mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Natürlich war dann die Überraschung noch größer, als Papst Franziskus zum Papst gewählt wurde. Und wir haben nun auch erleben dürfen, wie Papst Franziskus vieles angestoßen hat, viel Hoffnung geweckt hat. Und wir schauen alle voll Spannung und Freude, wie sein Pontifikat weitergehen wird.

KNA: Es war auch in der Politik spannend. Was erwartet die katholische Kirche von der neuen Bundesregierung?

Zollitsch: Jetzt kommt es darauf an, den Gedanken Europas weiterzuführen und zu vertiefen. Wir haben von Europa profitiert, und es ist wichtig, auch Solidarität mit den anderen Ländern zu zeigen, die sich wirtschaftlich schwer tun. Ganz gleich, aus welchen Gründen sie dahingekommen sind. Wenn wir nach Deutschland schauen, da stehen große Fragen an. Ich bin dankbar, dass in den Koalitionsverträgen klar geworden ist, dass das gute Verhältnis von Staat und Kirche, wie es sich in Deutschland entwickelt hat, soweit verbleiben soll, sich weiter entwickeln soll. Aber ich spüre auch die Frage von Ehe und Familie oder die Frage der nächsten Generation. Das sind Fragen, die uns alle beschäftigen werden. Insofern haben wir Wünsche an die Regierung. Sorgen machen mir die Staatsschulden. Wir leben über unsere Verhältnisse auf Kosten der nächsten Generation.

KNA: Das EU-Parlament hat in dieser Woche gegen eine Resolution gestimmt, die für ein umfassendes Recht auf Abtreibung eintrat. Was meinen Sie dazu? 

Zollitsch: Ich bin froh, dass die Entscheidung so gefallen ist. Allerdings war ich erstaunt, mit welch knapper Mehrheit sie fiel. Ich habe mich auch zu Wort gemeldet, denn es geht tatsächlich in Europa um den Schutz des Lebens von Anfang an bis zu seinem Ende. Und wenn dadurch jetzt alles eher propagiert wird, dass nun Menschen verfügbar werden für die Menschen schlechthin, dann ist das eine ungeheure Gefahr.

KNA: Die Deutsche Bischofskonferenz will bei ihrer Vollversammlung im Frühjahr die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen diskutieren. Was ist denn da Konkretes zu erwarten?

Zollitsch: Wir haben zwei Arbeitsgruppen eingesetzt. Eine, die sich stärker mit der Frage des Ortes auch der Menschen in unserer Kirche befasst, die geschieden sind und wieder standesamtlich geheiratet haben. Weil wir sagen, wie das Papst Franziskus auch sagt, sie gehören voll und ganz zur Kirche. Und wir haben die Fragen des Arbeitsrechts. Wir wollen dieses Arbeitsrecht fortschreiben, so dass wir der Situation gerecht werden können. Wir haben im Augenblick ja die Umfrage unter den Katholiken und den Gemeinden. Ich habe schon erste Ergebnisse bekommen, die zeigen, wie viele Menschen von all diesen Fragen betroffen sind. Etwa bei uns in Freiburg sind es fast 50 Prozent der katholischen Kinder, die wachsen in solchen Familien auf, oder bei Alleinerziehenden. All diese Situationen wollen wir in den Blick nehmen und auch in die außerordentliche Synode einbringen. Mir hat Papst Franziskus Mut gemacht, weil er auch sagt, wir müssen die Menschen annehmen wie sie sind.

KNA: Sie haben ja in Ihrem Erzbistum Freiburg schon eine Handreichung zu dem Thema herausgegeben. Welche Reaktionen haben Sie da erhalten?

Zollitsch: Wir haben in unserem Seelsorgeamt eine Handreichung erarbeitet. 98 Prozent derer, die sich an mich gewandt haben, sagen: Gott sei Dank wird hier versucht, Wege aufzuzeigen, und die Menschen setzen Hoffnungen darauf.

KNA: Ein ganz schwieriges Kapitel war 2013 Limburg. Das war teilweise schmerzhaft und kontrovers. Wie geht es jetzt dort weiter?

Zollitsch: Natürlich beschäftigt mich Limburg fast jeden Tag. Wir haben im Augenblick die Phase der ruhigen Klärung. Ich habe in Absprache mit Kardinal Lajolo und dem Bischof von Limburg eine Kommission eingesetzt, die zunächst einmal der Frage nachgeht: Was ist nun mit dem Bau des diözesanen Zentrum geschehen? Welche Entscheidungswege wurden gegangen? Was hat das Ganze gekostet? Wer war beteiligt? Ich gehe davon aus, dass wir diesen Bericht im Januar erhalten werden. Und dann schauen wir, wie es weitergehen kann. Ich hoffe, dass wir dazu beitragen können, dass es in Limburg dann auch zu einem Neuanfang kommen wird.

KNA: Welche Schwerpunkte möchten Sie denn noch setzen in Ihren letzten Monaten als Erzbischof in Freiburg?

Zollitsch: Ich denke, dass ich noch einige Wege vorbereiten kann für meinen Nachfolger, etwa in der Zusammenführung von Pfarreien, damit er nicht am Anfang viele Baustellen hat, die er erst einmal aufräumen muss. Ich hoffe so, meinem Nachfolger eine Erzdiözese zu hinterlassen, wo in der Theologie, in der Pastoral und in der Verwaltung klare Linien da sind.

KNA: Sie haben für die Wahl des nächsten Bischofskonferenz-Vorsitzenden vorgeschlagen, man solle sich vor der nächsten Wahl unter den Bischöfen darüber unterhalten, welches Profil dieser Nachfolger haben sollte... 

Zollitsch: Die Idee kam vom Vorkonklave, wo man ja auch überlegt hat, was kommt an Aufgaben auf den neuen Papst zu. Wir haben deswegen abgesprochen, dass wir bei der Frühjahrsvollversammlung die Wahl erst am Mittwoch durchführen, damit wir am Dienstag Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen, wenn auch die Weihbischöfe dabei sind, die ja die Mehrheit haben. Wir müssen besprechen: Was steht nun an als Aufgabe in der Amtszeit des nächsten Vorsitzenden? Denn es ist ganz klar, es wird ein Generationenwechsel sein.

Das Interview führten Ludwig Ring-Eifel und Agathe Lukassek.