Islamwissenschaftlerin warnt vor zunehmender Christenverfolgung

Im Namen Allahs?

Die Verfolgung von Christen in muslimischen Ländern hat sich nach Ansicht der Aachener Islamwissenschaftlerin Rita Breuer dramatisch entwickelt. Saudi-Arabien, Pakistan, Afghanistan, Iran, Nigeria und die Malediven stellten dabei nur die Spitze des Eisbergs da. Im domradio.de-Interview spricht Breuer über ihr Buch "Im Namen Allahs?"

Mehr Anschläge auf christliche Symbole (KNA)
Mehr Anschläge auf christliche Symbole / ( KNA )

domradio.de: Was hat Sie dazu bewogen, ein Buch über dieses Thema zu schreiben?

Rita Breuer: Ich habe mich in den letzten Jahren intensiv mit der Situation der Christen in muslimisch geprägten Ländern beschäftigt und besonders auch mit der scharenweise Abwanderung aus dem Nahen und Mittleren Osten. Das habe ich mit Interesse und wachsender Sorge beobachtet. In jüngster Zeit haben sich die Dinge sehr dramatisch entwickelt und da schien mir doch ein Buch zu diesem Thema überfällig.



domradio.de: Unter welcher Art von Diskriminierung und Verfolgung müssen Christen in diesen Ländern denn leiden? Wie sieht die Religionsausübung dort überhaupt aus?

Breuer: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Die muslimische Welt ist von Mauretanien bis Indonesien nicht einheitlich und so ist auch die Situation der Christen sehr vielfältig. Es gibt die Spitze des Eisbergs. Das ist das, was auch hier in den Medien, im öffentlichen Bewusstsein landet. Die tätlichen, die gewaltsamen Übergriffe gegen Menschen, gegen Kirchen, gegen christliche Symbole, gegen Wohnhäuser und Geschäfte von Christen.



Darüber hinaus gibt es natürlich viele rechtliche, politische Benachteiligungen. Überall da, wo der Islam einfach als Staatsreligion eine privilegierte Stellung hat und auch das Rechtssystem weitgehend prägt, kommt es automatisch dazu, dass andere Religionsgemeinschaften - so auch die Christen - weniger privilegiert sind.  Das heißt, sie dürfen bestimmte Staatsämter nicht ausüben, sie dürfen nicht Richter werden, sie dürfen manchmal bestimmte Berufe nicht ergreifen.



Was die Religionsausübung angeht, die soll eigentlich geschützt sein, aber es ist in der Tat so, dass gerade wenn es um den Bau von Kirchen geht, um den Unterhalt christlicher Gebäude, dass es da viele behördliche Schikanen gibt. Dass man den Christen immer wieder unterstellt, sie wollten missionieren, sie wollten die Muslime von ihrer Religion abbringen. Also auch die Religionsausübung wird sehr eingeschränkt. Ganz besonders gilt das in der Tat für jede Form von Mission und damit ist auch eine besonders schwierige Situation der Konvertiten vom Islam zum Christentum verbunden.



domradio.de: In welchen Ländern ist die Christenverfolgung denn besonders ausgeprägt?

Breuer: Der schlimmste Fall ist natürlich immer noch Saudi-Arabien. Das trägt geradezu phobische Züge dort, die Angst vor dem Christentum! Da ist wirklich jede nichtislamische Religionsausübung verboten. Man darf noch nicht einmal ein Kreuz an der Kette haben, keine Bibel zum persönlichen Gebrauch mit sich führen. Es ist auch jede pastorale Versorgung der vielen christlichen Gastarbeiter im Land völlig unmöglich, etwa von den Philippinen. Das ist das Schlimmste, was die Bandbreite zu bieten hat, aber es gibt andere Länder, in denen die Scharia fast uneingeschränkt gilt, das ist zum Beispiel Pakistan, das ist Afghanistan, das ist der Iran, Regionen Nigerias, aber auch die Malediven beispielsweise, wo die Situation schon besonders prekär ist.



domradio.de:  Machen sich dennoch gesellschaftliche Gruppen dort stark für die Christen?

Breuer: Ja, es gibt viele. Es gibt sicherlich auch Muslime, die eigentlich eine liberale, eine offene Gesinnung haben, die Christen schätzen, die zum Beispiel auch den Beitrag der Christen zur Gesellschaft in Form von Schulen und Krankenhäusern schätzen. Sie haben es aber in der momentanen Phase, in der der politische Islam sehr, sehr erstarkt und sehr, sehr einflussreich wird und auch international unterstützt wird, einfach schwer sich Gehör zu verschaffen.



domradio.de: Gibt es auch muslimische Länder die Andersgläubigen gegenüber toleranter sind und keine religiöse Diskriminierung kennen?

Breuer: Es gibt ein einziges Beispiel, das ist Gambia. Das ist das einzige Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, indem es überhaupt keine religiöse Diskriminierung gibt. Das liegt einfach an dem säkularen Staatswesen. Dort gibt es keine Staatsreligion. Insofern sind alle Religionsgemeinschaften de jure, aber auch de facto gleichberechtigt. Es gibt natürlich andere Länder, wo entweder einfach ein liberalerer Islam gelebt wird oder auch die Herrscher jeweils die Christen als Allianzpartner gegen den Islamismus ansehen. Das ist zum Beispiel in Jordanien der Fall, das ist in Marokko der Fall, das war bzw. ist in Syrien der Fall, da weiß man momentan nicht, wie sich die Dinge entwickeln.



domradio.de: Der Buchtitel "Im Namen Allahs?" bietet sich an, genauer darauf zu gucken. Offensichtlich gibt es im Koran keine Niederschrift zur Verfolgung Andersgläubiger. Woran liegt es dann, dass in manchen Ländern Christen so erbittert verfolgt, bekämpft werden?

Breuer: Nicht alle Christen leben nach dem Evangelium und nicht alle muslimischen Staaten beherzigen den Koran, das ist klar. Die Bindung an den Islam ist sehr unterschiedlich und auch die Auffassung vom Islam ist unterschiedlich. Der Koran bezeichnet die Christen als Leute des Buches, als Empfänger einer göttlichen Offenbarung, die grundsätzlich zu achten sind, die aber den Muslimen unterlegen sind moralisch-theologisch. Der Islam ist die letzte und beste Religion, so sagt es der Koran. Damit ist letztlich auch gegeben, dass die Christen in islamischen Staaten untergeordnete Positionen einnehmen und die Muslime letztlich das Sagen haben. Insofern gibt es schon eine koranische Grundlegung für die Ungleichbehandlung, nicht für die Verfolgung, die wir jetzt vielerorts sehen und für die gewaltsamen Übergriffe.



Trotzdem sagen natürlich die Extremisten, eigentlich sind die Christen Ungläubige und Ungläubige müssen bekämpft werden. Auf der anderen Seite sagen die liberalen Muslime, wir müssen das, was Gott uns im Koran gesagt hat, ins 21. Jahrhundert übersetzen und damit sind eigentlich heute die Christen uns ebenbürtig und gleichberechtigt zu behandeln, beide führen letztlich in ihrer Argumentation auf den Koran zurück.



Das Interview führte Stephan Baur



Hinweis: Das Buch "Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam " von Rita Breuer ist im Herder Verlag erschienen und kostet 12,99 Euro.