Interview zum UN-Welttag zur Bekämpfung der Wüstenbildung

"Somalia steht vor einer neuen Hungersnot"

Weltweit dehnen sich die Wüsten aus, und das hat fatale Folgen. Somalia zum Beispiel ist nicht nur von Hunger, sondern auch von Gewalt bedroht. Silvia Holten, Pressesprecherin bei der Hilfsorganisation World Vision, im domradio.de-Interview.

Trockenes Land: Die Wüsten der Welt dehnen sich aus / © dpa (dpa)
Trockenes Land: Die Wüsten der Welt dehnen sich aus / © dpa ( dpa )

domradio.de: Wüstenbildung klingt ja erstmal abstrakt - aber wie gefährdet dieses Phänomen die Menschen in Somalia ganz konkret?

Holten: Das ist wirklich eine große Herausforderung, der wir uns als Hilfsorganisation gegenübersehen. Ein Drittel der Erdoberfläche wird von Verödung bedroht und das betrifft ungefähr eine Milliarde Menschen. Wüstenbildung ist ein riesiges Problem, wenn es auch um Katastrophen wie das veränderte Klima geht, und ich hab mit eigenen Augen gesehen, was es mit Menschen macht.

domradio.de: Und was macht es mit Menschen?

Holten: Es ist so, wir hatten im Jahr 2010 eine Riesenhungersnot im Raum Somalia, Äthiopien, Kenia, wo Hunderttausende auf der Flucht waren. Über 250 000 Menschen sind verhungert damals. Ein Grund ist natürlich, dass Regenfälle ausbleiben, dass es auf der anderen Seite wieder Überflutungen gibt. Die Bauern können sich überhaupt nicht mehr auf ihr Klima verlassen, auf den Monsun verlassen. Bei Somalia kommen natürlich die kriegerischen Auseinandersetzungen erschwerend hinzu, die seit etwa 25 Jahren bestehen, und Bauern auch nicht ermöglicht, ihre Felder zu beackern.

domradio.de: Jetzt haben sich sieben Hilfsorganisationen zusammengeschlossen, um in einem umfangreichen Masterplan die Menschen in Somalia auf die anstehende Trockenperiode vorzubereiten und ihnen generell eine sichere Lebensgrundlage zu ermöglichen. Warum ist dieser Masterplan ausgerechnet in Somalia so nötig?

Holten: Somalia gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern, ist auf dem Human Development Index ungefähr an drittletzter Stelle. Wir haben nach wie vor eine riesengroße Kindersterblichkeit, die Bildungsrate ist extrem gering, wir haben riesengroße Fluchtbewegungen innerhalb Somalias. Wahrscheinlich sind mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Wir müssen hier dringend was tun. Es ist eine vergessene Katastrophe, die leider weitgehend aus der medialen Öffentlichkeit verschwunden ist und wir müssen hier dringend tätig werden.

domradio.de: Dieser Masterplan: Welche Ziele verfolgen Sie?

Holten: Es geht im Prinzip um Katastrophenvorsorge. Wir müssen diese Menschen resistent machen gegen Katastrophen. Und das ist ein riesengroßes Bündel an Maßnahmen, was wir gemeinsam mit den sieben anderen NGOs - Oxfam, CARE, Adra usw. - planen. Wir haben uns aufgeteilt in Somalia. Dort, wo die Organisationen bereits tätig sind, wollen wir diesen Masterplan umsetzen. Es geht darum, dass wir zum Beispiel den Menschen beibringen, wie sie Wasser speichern können, wie sie über Dämme und Begrenzungen die Wasserversickerung ermöglichen können und so auch verhindern, dass fruchtbarer Boden weggeschwemmt wird. Wir wollen die SMNR-Methode umsetzen, das ist eine Art natürliche Wiederbewaldung, die wirklich grandios ist und ich hab sie selber in Äthiopien gesehen. Das heißt, man guckt unter der Erde, wo noch Wurzelwerk vorhanden ist und lässt dieses gezielt wachsen, schützt es und guckt, dass Ziegen nicht alles wieder abknabbern. Es soll darum gehen, dass sich Genossenschaften bilden, landwirtschaftliche Genossenschaften. Wir möchten Wissen vermitteln, Weiterbildungsmaßnahmen durchführen, Sparkreditgruppen gründen etc. Und es soll dazu führen, dass die Menschen in Zukunft auch bei wiederkehrenden Dürren resistent gegen Hunger werden.

domradio.de: Mit anderen Worten: Entwicklung und Klimaanpassung gehört zusammen, das sagt ja auch ihre Organisation. Sie setzen also auf langfristige Hilfe. Wir haben ja schon über die Gewalt in Somalia gesprochen. Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Früchte des Projekts wieder zerstört werden, wenn die Sicherheitslage nochmal schlechter wird?

Holten: Wir haben doch ein bisschen Hoffnung, seit 2012, da gab es Wahlen, und es gibt eine Übergangsregierung, die auch international anerkannt ist. Zunehmend gibt es auch Gebiete in Somalia, wo wir tätig werden können. Es gibt noch einige, speziell in Süd- und Zentralsomalia, wo nach wie vor gekämpft wird. Das große Problem ist natürlich, dass die Menschen große Angst haben, dass die Bauern nicht zurückkehren können auf ihre Felder. Wir befinden uns derzeit in einer Situation, dass die Regenfälle ausgeblieben sind. Die Bauern konnten ihre Felder nicht bepflanzen. Es gab höhere Preise etc. Das heißt, all diese Maßnahmen führen wahrscheinlich jetzt dazu, dass wir wieder einer Hungersnot entgegensehen. Die Situation ist inzwischen schon problematisch. Wir hoffen, dass es noch Regen gibt, aber wenn es so weitergeht und der Regen nach wie vor ausbleibt, könnte die Situation genauso schlimm werden wie 2010.

Das Gespräch führte Mathias Peter.


Die Sahara aus dem All gesehen (dpa)
Die Sahara aus dem All gesehen / ( dpa )
Quelle:
DR

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